Colleagues will be saddened to learn of the death of Sir Malcolm
Pasley, in Oxford last week. His funeral will be held next Monday, 15
March, 12.45 p.m., at the Oxford Crematorium (Bayswater Road,
Headington, tel. 01865 351255).
Below is the obituary notice published yesterday in *Der Tagesspiegel*
<http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/10.03.2004/1016539.asp>.
__________________________________________________________
10.03.2004
Hüter der Schrift
Zum Tod des Kafka-Forschers Sir Malcolm Pasley
Kafka kam 1961 mit einem Käfer nach England. Nach jahrelangen
Auseinandersetzungen war es den Nichten Kafkas gelungen, den größten
Teil der Manuskripte wieder in die Obhut der Familie zu bringen, und
Malcolm Pasley übernahm mit seinem Volkswagen den Transport aus der
Schweiz nach Oxford. Der Germanist hatte sich auf Bitten der Erben für
Aufnahme der Handschriften in die berühmte Sammlung der Bodleian
Library eingesetzt und sollte sie künftig betreuen. Der Parforceritt
mit dem Käfer durch Europa war der Beginn einer lebenslangen Passion.
Malcolm Pasley, am 4. April 1926 im indischen Rajkot geboren, war Tutor
und Fellow des Magdalen College der Oxforder Universität und hatte
zahlreiche Publikationen zur deutschen Literatur vorgelegt; jetzt
stellte er sich fast ganz in den Dienst Kafkas. Seiner Initiative
verdanken wir die erste systematische Erfassung und Datierung der
Handschriften und die Kritische Kafka-Ausgabe des S. Fischer Verlags.
Von einer tiefen Zuneigung zur deutschen Kultur geprägt, voller
Bewunderung für Büchner, Kafka und Nietzsche, war Pasley doch durch und
durch Brite – was der Kritischen Ausgabe durchaus anzumerken ist.
Seiner Überzeugungskraft ist das Gelingen dieses großen
Editionsprojekts zu verdanken, das nun kurz vor dem Abschluss steht.
Ohne einen Mitarbeiterstab, wie ihn deutsche Professoren benötigen,
edierte Pasley die ihm übertragenen Bände: Fein säuberlich tippte er
jedes Manuskript eigenhändig in die Maschine. Den Höhepunkt der
philologischen Kärrnerarbeit stellte – wohl auch für ihn – die Edition
des Romans „Der Proceß“ dar. Pasley gelang es, die einzelnen
Entstehungsphasen des Romans zu entschlüsseln, wobei die
überraschendste Erkenntnis sicherlich diejenige war, dass Kafka gleich
zu Beginn das erste und das letzte Kapitel niederschrieb.
Dieser Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit markiert zugleich
einen tragischen Wendepunkt: Im Sommer 1990 zeigten sich erste Symptome
einer unheilbaren Krankheit, die ihn zum Rückzug aus der Öffentlichkeit
veranlassten – nicht aber zur Einstellung der Arbeit. Zwar musste er
die ihm anvertraute Sammlung niederlegen; aber er hielt sich weiter in
seinem „study“ auf, umgeben von einer Bibliothek, die jedem
germanistischen Institut zur Ehre gereicht hätte.
Als Malcolm Pasley Anfang der Sechzigerjahre auf Kafkas Spuren in Prag
forschen wollte, geriet er vor dem Konsulatsbeamten der kommunistischen
CSSR in Erklärungsnotstand, als es um die Begründung für seinen
Einreiseantrag ging. Der Beamte war um einen Ausweg nicht verlegen.
„Wissen Sie“, erklärte er, „das Einfachste wäre, dieser Kafka würde
Ihnen eine Einladung schicken.“ Eine absurde Geschichte, die Franz
Kafka gefallen wird. Sir Malcolm Pasley starb am 4. März in Oxford.
Hans-Gerd Koch
|