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VORANKÜNDIGUNG
UND AUFRUF, VORTRAGSTHEMEN EINZUREICHEN
Deutscher Germanistentag 2004
Ludwig-Maximilians-Universität München
12.-15. September 04
Germanistik und / in / für Europa
Faszination - Wissen
Vorbemerkung
September 2004: Je umfangreicher jenes Europa wird, das sich als
„Europäische Union“ wirtschaftlich und rechtlich vereinheitlicht - und
abgrenzt, um so dringlicher wird die Frage, ob diese Union mehr ist und
mehr sein sollte als ein Zweckverband. Um so dringlicher wird vor allem
die Frage, was aus den Sprachen und Kulturen wird, die in die Union
eingebracht werden, vielleicht auch in sie hineintaumeln und durch sie
obsolet werden. Diese Kulturen und die meisten dieser Sprachen sind
geprägt durch ein politisches Groß-„Projekt“, dessen Ende im
europäischen Einigungsprozeß vor Augen steht, beschworen, beklagt wird:
das „Projekt Nation“. Unter den neueren philologischen Disziplinen
verstand sich gerade die Germanistik in dieser nationalen
Perspektivierung.
September 2004: Die Universitäten und in ihnen insbesondere die
Geisteswissenschaften stehen vor einer drastisch sich ändernden
Situation. Sie stellt nahezu alles in Frage, was Universitäten in
Deutschland seit 1810, der Berliner Universitätsneugründung,
kennzeichnet. In schneller Folge erodieren wesentliche
Qualitätsmerkmale für Geisteswissenschaften. Methodenaktionismus und
immer neue Gegenstandsfunde sind eine schwache und gesellschaftlich
kaum noch wahrgenommene Reaktion.
Dabei sind die gesellschaftlichen Aufgaben gerade dieser Wissenschaften
mit einer neuen Brisanz versehen. Es sind eben die nationalen
Rahmenbedingungen, die sich gegenwärtig auflösen, und dies mit
weitreichenden Konsequenzen für vieles von dem, was
Geisteswissenschaften sind und tun. „Europa“ tritt an die Stelle der
Nationen, so hören und lesen wir - aber dieses Europa ist jenseits der
wirtschaftlichen und bürokratischen Veränderungen eher ein Schemen als
eine politische und konzeptionelle Wirklichkeit. Nirgendwo deutlicher
ist die Herausforderung für ein neues, wirklich europäisches Denken als
auf dem Feld der Sprachen. Proklamationen der Mehrsprachigkeit stehen
europaweit rücklaufende Zahlen der Fremdsprachenvermittlung in den
Schulen gegenüber. Einsprachige Politiker sind kaum glaubwürdige
Zeugen, geschweige denn Garanten dafür, daß Europa eine multilinguale
Wirklichkeit werden kann, die mehr ist als eine bloße Addition von
durch die alten Grenzen voneinander abgeschnittenen Einsprachigkeiten.
Die Sprachen der Erinnerung sind weithin noch national orientiert. Dem
Umgang mit der Fremde in Europa fehlt es an Konzepten und Verfahren;
Hermeneutik, die Verstehenslehre, wagt sich als interkulturelle
Hermeneutik darüber hinaus, aber sie ist weit davon entfernt, die
europäischen Sprachen als zu Verstehendes zu thematisieren. Das
Deutsche als Fremdsprache, weltweit vermittelt, ist, jüngste
germanistische Disziplin, im öffentlichen Bewußtsein der Bundesrepublik
noch kaum angekommen. Sein Beitrag zur Transnationalisierung verbindet
sich mit den Fragen der Sprachvermittlung für Migranten und
Migrantinnen. Eine „Landeskunde“ ist kaum auch nur in Umrissen zu
erkennen - methodisch, inhaltlich und in ihren möglichen Vernetzungen
mit entsprechenden wissenschaftlichen Unternehmungen anderer
europäischer Länder. Von außen ergeht die Forderung, solche Kenntnisse
als „cultural studies“ vorzuhalten - eine Herausforderung, die
anzunehmen die Germanistik gefordert ist. Die nationalen
Perspektivierungen von Philologie haben für Mediävistik, für die
Wissenschaft von der neueren deutschen Literatur und für die
germanistische Sprachwissenschaft eine Fülle von Erträgen gebracht -
und sie haben, weit weniger bemerkt, Defizite erzeugt, die zur
Provokation für Veränderungen des philologischen Geschäftes werden
können. Der literarische Kanon ist noch immer weithin national
gebunden. Eine europäische Sprachgeschichtsschreibung findet kaum
statt.
Die Herausforderungen für die Philologien als Wissens-Wissenschaften
betreffen Kernbereiche ihrer Ergebnisse und ihrer Methoden. Die
literarischen Objekte werden im Spannungsfeld zwischen
Literaturwissenschaft und Literaturkritik wahrgenommen. Gerade im
deutschen Sprachraum ist das Verhältnis beider konkurrentiell, Beispiel
für eine Streitkultur, in der das „agonale Prinzip“ exemplarisch
sichtbar wird. Die „Aura“ des Wortkunstwerkes liegt dem voraus: Kann
die Ratio seiner Analyse sie einholen? Ist eine ästhetische Erziehung
möglich? Was charakterisiert Literatur, ist sie ein neuzeitliches,
vielleicht ein philologisches Konstrukt? Die „fremde Literarizität“
mittelalterlicher Texte gewinnt neue Lesarten für das, was Literatur
ausmacht. Schönheit, Lust und Wissen sind Facetten des philologischen
Geschäftes, die durch dessen positivistische Praxis in der Gefahr
stehen, analytisch zum Verschwinden gebracht zu werden. Ist eine
Wissenschaft möglich, die diesen Gefahren entgeht? Ist eine Didaktik
möglich, die Lesen als Faszination erlebbar macht?
Der Germanistentag 2004 bietet ein Forum für die Befassung mit diesen
vielen Facetten einer komplexen kulturellen Konstellation, bietet einen
Ort für Faszination und Wissen. Er lädt ein zu Vorträgen, Diskursen,
Kontroversen.
Aufruf,
Vortragsthemen für die Intersektionen und Sektionen einzureichen
Für die Vorträge in den Intersektionen und Sektionen stehen jeweils 20
Minuten zur Verfügung, für die anschließende Diskussion sind 7 Minuten
vorgesehen. Ihr Vortragsangebot (Thema sowie ein Exposé (in
elektronischer Form) von maximal 1.500 Zeichen senden Sie bitte
möglichst bald, spätestens aber bis zum
22. Dezember 2003
an die Adresse des Vorsitzenden:
Prof. Dr. Dr. h.c. Konrad Ehlich
Deutscher Germanistenverband
Ludwig-Maximilians-Universität München
Institut für Deutsch als Fremdsprache / Transnationale Germanistik
Ludwigstraße 27
D - 80539 München
e-mail: [log in to unmask]
Die Leitungsteams der Intersektionen und Sektionen werden bis Ende
Januar darüber entscheiden, welche Vorträge in das Programm aufgenommen
werden. Eine Auswahl der Vorträge wird im Anschluß an den
Germanistentag im Tagungsband veröffentlicht. Um eine schnelle und
reibungslose Publikation zu gewährleisten, weisen wir bereits heute
darauf hin, daß hierfür die Manuskripte bis zum 10.10.2004 in der
Geschäftsstelle des DGV eingehen müssen.
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