Liebe Frau Watts,
Sie schrieben:
>Das stimmt nur zum Teil. Viele Woerter wurden eingedeutscht (etwa Zirkus,
>usw), bei denen es vorher ueblich gewesen war, sie mit c zu schreiben. Also
>spielten z.B. ideologische Entscheidungen eine Rolle in der Diskussion.
Gerade das Wort 'Zirkus' ist ein Beispiel für einen Wandel in der
Schriftsprache, der sich ohne jeglichen staatlichen Eingriff vollzogen hat.
Nach Pauls Deutschem Wörterbuch finden sich Belege für die eingedeutschte
Schreibung bereits im 18. Jh. (z. B. bei Goethe), so daß es keineswegs
ideologische Gründe gewesen sein müssen, die 1901 dazu führten, die
modernere Variante zur Hauptform zu erheben. Interessant ist übrigens auch,
daß die Variante mit c, wie es scheint, nie aus dem schriftsprachlichen
Gebrauch verschwand und entsprechend auch nicht aus dem Duden verbannt
wurde.
>> Diese Konferenz
>> dauerte übrigens nur drei Tage, und die daraus resultierende Neuregelung
>> füllte ganze drei Buchseiten.
>
>Ja, und wie man Ihrem ersten Absatz entnehmen kann - wo Sie ganz richtig
>schrieben "Der Wunsch des Duden nach möglichst präzisen Regelungen führte
>leider zu einer wachsenden und unüberschaubar werdenden Zahl von
>Einzelfestlegungen" war dises Regelwerk zu knapp und konnte die moderne
>Sprache nicht mehr adequat beschreiben.
Das Regelwerk war damals schon länger, nur ließen sich die neuen Regeln auf
wenigen Seiten beschreiben, wie Sie hier
http://www.flitternikel.onlinehome.de/regeln.html
nachlesen können.
>> Es verwundert deshalb nicht, daß die Bevölkerung der neuen
>> Rechtschreibung nach wie vor skeptisch bis ablehnend gegenübersteht. Eine
>> neuere Emnid-Umfrage vom August dieses Jahres zeigte, daß nur 13.7 % der
>> Bevölkerung die neue Rechtschreibung als Erleichterung empfinden und sie
>> deshalb befürworten.
>
>Natuerlich: das ist naemlich bei jeder Veraenderung so. Sie werden, wenn
>sie hier mit 'aelteren' Menschen sprechen (ueber 40?), festellen, dass sie
>nicht viel Ahnung vom metrischen Masssystem haben, und dieses auch nicht
>befuerworten. Bei noch aelteren Menschen findet man noch Sehnsucht nach dem
>alten Geld.
In Deutschland gab es viele Menschen, die der Einführung des Euro freudig
entgegensahen und es gar nicht erwarten konnten, das neue Geld in den
Händen zu halten. Ich selber stand der Einführung der 'neuen'
Rechtschreibung ausgesprochen positiv gegenüber, weil angekündigt wurde,
die vormalig 212 Rechtschreibregeln seien auf 112 reduziert worden. Das
klang so, als habe man das Regelwerk signifikant verkürzt und damit
vereinfacht.
Bei genauerer Betrachtung des Dudens stellt sich allerdings heraus, daß
sich der Umfang des Regelwerks so gut wie gar nicht reduziert hatte!
Vielmehr ist man bei der Einteilung in Paragraphen großzügiger vorgegangen,
so daß sie zahlenmäßig weniger, dafür aber umfangreicher wurden. Die
Reduzierung der Regeln war, wenn man so will, nicht mehr als eine
Mogelpackung.
>>Wer
>> heute die ‘neue’ Rechtschreibung beherrschen will, wird um eine intensive
>> Auseinandersetzung mit den neuen Regeln, verbunden mit häufigem
>> Nachschlagen, nicht umhinkommen.
>
>Hoechstens dann, wenn man die alten Regeln schon kennt - was bei Kindern ja
>nicht der Fall ist. Aber selbst fuer uns Erwachsene gibt es gute
>Nachschlagewerke, wo man i-Punkt und Kaenguru findet, ohne lange ueber
>Regeln nachdenken zu muessen.
Aber Kinder lernen doch die Rechtschreibung nicht nur durch die Kenntnis
von ausformulierten Regeln, sondern auch (oder vor allem) dadurch, daß sie
die Wörter so schreiben, wie sie sie im täglichen Leben zu lesen bekommen.
>> Häufiges Lesen wird ebenfalls nicht zur
>> Einprägung der ‘neuen’ Orthographie führen, weil es fast unmöglich ist,
>> die Vielzahl von Mischorthographien, wie sie heute existiert,
>> auseinanderzuhalten.
>Weil manche Leute versuchen, einen Erfolg der neuen Rechtschreibung
>moeglichst zu verhindern. Daran ist nicht die neue Rechtschreibung schuld,
>sondern die sturen Journalisten.
Wenn es nur an der Sturheit von Journalisten oder Redakteure läge, so hätte
man doch die herkömmliche Orthographie schlicht beibehalten können. Die
Presse ist nicht an die Weisungen der Kultusminister gebunden. Die
Erstellung eigener Hausorthographien sehe ich vielmehr als einen Weg, die
Schwierigkeiten, die eine vollständige Umsetzung sämtlicher Regeln
erfordert hätte, zu umgehen.
>Jacob Grimm schrieb uebrigens zur Rechtschreibung
>'alles oder das meiste scheiterte an dem pedantischen sinn der deutschen,
>die jeder edlen neuerung einen haufen kleinlicher gruende entgegen zu
>setzen gewohnt sind.'
>
>Und dreissig Jahre frueher sagte Johann Christoph Adelung:
>'Es ist ueber diesen Gegenstand seit anderthalb hundert Jahren so viel
>gesprochen und geschrieben worden, dass man es einem ehrlichen Manne kaum
>zumuthen kann, noch eine Zeile mehr darueber zu lesen.'
>
>Am besten nehmen wir diesen Spruch jetzt beide zum Anlass, jetzt
>aufzuhoeren.
>Mit freundlichen Gruessen
>Sheila Watts
Mit freundlichen Grüßen
Elke Philburn
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