Siehe zum Tod von Ruth Rehmann den Nachruf Werner Jungs:
https://www.jungewelt.de/2016/02-04/041.php
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Junge Welt, 4.2.2016
Die Aufmüpfige
Mit Ruth Rehmann verstarb eine der letzten Angehörigen der »Gruppe 47«
Von Werner Jung
»Mein Schreiben war immer darauf gerichtet, Kompliziertes einfach zu machen, durchsichtig, klar, überschaubar, mitteilbar«; Ruth Rehmann im Jahr 1961
Immer schon sei sie, hat die 1922 in Siegburg geborene Schrifststellerin Ruth Rehmann in Gesprächen betont, aufmüpfig, rebellisch, unangepasst gewesen. Oder auch »nonkonformistisch«, um an eine unter Intellektuellen verbreitete Haltung aus den 50er und frühen 60er Jahren zu erinnern. Eine Haltung auch, die von etlichen Protagonisten in zeitgenössischen Romanen, so der Figur des Clowns Schnier in Heinrich Bölls Roman »Ansichten eines Clowns« oder des Klatt in Martin Walsers Erstling »Ehen in Philippsburg«, vertreten wird. Und an einer Stelle ihres Buches »Unterwegs in fremden Träumen« von 1993, in dem sich Rehmann mit den beiden »Wendezeiten« von 1945 und 1989 beschäftigt, kann man so etwas wie einen poetologischen Kern im Selbstverständnis dieser Autorin erkennen: »Mein Schreiben war immer darauf gerichtet, Kompliziertes einfach zu machen, durchsichtig, klar, überschaubar, mitteilbar. Keine literarischen Experimente! Ich ziehe behutsam an einem einzigen Fädchen, nichts im Sinn, als seinem Lauf nachzugehen. Aber dabei bleibt es nie. Knoten tauchen auf, Verästelungen, Verknüpfungen, Quer- und Rückverbindungen, ein vielschichtiges, im Trüben sich verlierendes Netz, das ganze Klumpen unverstandenen Rohstoffs heraufzieht.« Es geht ihr also darum, schreibend sich die Dinge und Sachverhalte, Beziehungen und Strukturen zu erklären, etwas zu verdeutlichen, was andernfalls bloß im Vagen verbliebe.
Vielleicht mit Ausnahme der ersten beiden Romane »Illusionen« (1959) und »Die Leute im Tal« (1968) sind alle Erzählungen, Romane und Prosatexte Ruth Rehmanns autobiographisch ausgerichtet. Doch es geht immer auch um grundsätzliche Frage- und Problemstellungen, die die konkrete historisch-gesellschaftliche Situation bzw. Konstellation aufwirft.
Gleich an Ruth Rehmanns erstem Buch, ihrem Roman »Illusionen«, der für sie selbst ein »purer Verlegenheitstitel« gewesen ist, lassen sich ihre Interessen ablesen. Er handelt von vier Kollegen in einem Großraumbüro, deren Arbeitsalltag, aber auch Wochenendvergnügungen gezeigt werden. Damit stellt sich Rehmann, deren Roman irreführenderweise zuweilen als frühes bundesrepublikanisches Beispiel für eine Literatur der Arbeitswelt bezeichnet worden ist, in die Tradition der Angestelltenliteratur. Sie war während der Weimarer Republik mit Romanen von Martin Kessel (»Herrn Brechers Fiasko«, 1932) oder Irmgard Keun (»Gilgi, eine von uns«, 1931; »Das kunstseidene Mädchen«, 1932) kultiviert worden war. Rehmann zeigt auf, wie illusionär die Vorstellungen und Träume dieser abhängig Beschäftigten sind, wie diese den Versprechungen des »Wirtschaftswunders« glauben und letzten Endes hohl und ausgebrannt sind.
Finanzkapital
Auch ihre späteren Romane enthalten präzise Sozio- und Psychogramme. Rehmann will etwas über die Lebensweise und Denkart konkreter Menschen herausbringen. Das gilt für die Figur des eigenen Vaters, die sie im Roman »Der Mann auf der Kanzel« befragt. Darin geht es auch um die Rolle des Protestantismus im »Nationalsozialismus«. In »Die Schwaigerin« (1987) nimmt sie wechselnde Perspektiven auf den Einbruch des Neuen in Gestalt von Technik und Medien in dörfliche Gewohnheiten und Strukturen ein.
Ein aufschlussreiches Dokument für Ruth Rehmanns Biographie ist das Gespräch, das die Autorin 2008 mit der Literaturwissenschaftlerin Ulrike Leuschner geführt hat. Begeistert von amerikanischen Short Stories, namentlich von Sherwood Anderson und William Faulkner, beginnt sie in den Nachkriegsjahren Kurzgeschichten zu schreiben, die in der im Rowohlt Verlag erscheinenden Monatsschrift Story publiziert werden. Ihre Zeit als Mitarbeiterin der Indischen Botschaft in Bonn nutzt sie, um das selbstgesteckte Ziel zu erreichen, 3.000 DM zu verdienen. Mit dem Geld und ihrem ersten Kind zieht sie sich nach Oberbayern zurück, um dort den ersten Roman zu schreiben. Über den ebenfalls am Chiemsee wohnenden Horst Mönnich bekommt sie Kontakt zu Hans Werner Richter, dem Initiator und Spiritus rector der »Gruppe 47«, und wird schließlich 1958 eingeladen, an deren Sitzung teilzunehmen und ein Kapitel aus ihrem Roman vorzulesen. Sie kommt damit gut an und wird für den Preis der Gruppe in Betracht gezogen. Erhalten wird ihn dann Günter Grass für die »Blechtrommel«.
Wie viele andere BRD-Autoren im Umfeld der Gruppe 47 interessiert sich Ruth Rehmann für die literarischen Möglichkeiten des Hörspiels. Zwischen 1960 und 1985 sind neun Radiostücke entstanden und von verschiedenen Sendeanstalten (WDR, NDR, SDR, HR) realisiert worden. Bis auf das Stück »Frau Violets Haus«, das in einem Sammelband mit Radioarbeiten von Autorinnen gedruckt worden ist, blieben alle anderen Texte lange Zeit unveröffentlicht. Nun erscheinen sie in dem von mir herausgegebenen Auswahlband »Drei Gespräche über einen Mann und andere Hörspiele« im Aviva Verlag. Rehmann hat ihre Hörspiele als »Gelegenheitsarbeiten« bezeichnet. Dabei sind ihr aktuelle Stücke zur Zeit gelungen. Von Krisen und Wandlungen ist darin zu erfahren, von mentalitäts- und kulturgeschichtlichen Verschiebungen, ja grundsätzlichen Werteänderungen im Blick auf die zurückliegenden Jahrzehnte. Rehmanns Hörspiele verdichten Probleme und Konstellationen im Gesellschaftsgefüge der Bundesrepublik.
Mit Ruth Rehmann, die bereits am vergangenen Freitag kurz vor ihrem 94. Geburtstag in ihrem Wohnort Trostberg verstarb, hat die alte bundesdeutsche Literatur eine der letzten Vertreterinnen der Gruppe 47, eine kritisch-realistische, der »Ästhetik des Humanen« (Böll) verpflichtete Autorin, verloren. Ihre Texte aber – Romane, Erzählungen, Hörspiele – werden weiterwirken.
Ruth Rehmann: Drei Gespräche über einen Mann und andere Hörspiele. Aviva Verlag, Berlin , 300 Seiten, 19,90 Euro. Erscheint im März 2016
2 of her early novels are discussed in
MEYER, F., 1997. Women’s Writing in the 1950s and 1960s. In: WEEDON, C., ed., Postwar Women’s Writing in German Providence/Oxford: Berghahn. 45-60
Franziska
Dr Franziska Meyer
Associate Professor of German
Department of German Studies
School of Cultures, Languages and Area Studies
University of Nottingham
Nottingham NG7 2RD
UK
Tel (0044) 0115 9515915
Room C 39A
Exile Studies: http://www.peterlang.com/index.cfm?event=cmp.ccc.seitenstruktur.detailseiten&seitentyp=series&pk=429
http://www.anna-seghers.de/
http://www.proasyl.de
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