CFP Aufsatzsammlung: Der Traum im Gedicht
„Ich schlief. Da hatt’ ich einen Traum.
Mein Ich verließ den Seelenraum.“
(Wilhelm Busch: Der Traum)
Träume – nächtliche Träume wie auch Tagträume – werden stets nur vom Träumer selbst wahrgenommen. Ihr Schauplatz ist eine Welt, die der Träumer, solange er träumt, mit niemandem teilen kann. Erst im nachhinein, wenn er ausgeträumt ist, kann der Traum zum Gegenstand kommunikativen Austausches werden. Der Traum, genauer: die Erinnerung an ihn, wird dann erzählt. Aus der Sicht der Literatur ergibt sich daraus eine Affinität des Traums zur erzählenden Prosa. Zum Gegenstand von Literatur werden Träume meist in Form von Traumerzählungen, wobei es zunächst keine Rolle spielt, ob es sich um fiktive Träume handelt (etwa im Rahmen eines Romans) oder um authentische Träume des Autors (etwa im Rahmen einer Autobiographie).
Doch auch in der Lyrik ist der Traum ein weit verbreitetes Thema (vgl. die von I. Manegold und E. Rüther herausgegebene mehrbändige Anthologie Der Träume Wirklichkeit). Lyrische Texte beziehen sich allerdings anders auf das Phänomen Traum als epische, auch wenn sie mitunter in narrativ-balladesker Weise Traumgeschehen wiedergeben. Mit Blick auf manche Gedichte könnte man so weit gehen, von Erlebnisdichtungen zu sprechen, denen als Erlebnis Träume zugrundeliegen. Häufiger jedoch thematisieren Gedichte den Traum in einer eher abstrakten Weise, also ohne konkrete Trauminhalte zu schildern. In solchen Texten kann sich mit dem Begriff ‚Traum‘ ein breites Spektrum von Bedeutungen verbinden: Er kann als rätselvolles Zeichen erscheinen, auf Zukünftiges vorausdeuten, auf eine Sphäre verweisen, die in Opposition zur Realität des wachen Bewusstseins steht und in der sich Ängste zeigen oder Wünsche erfüllen; oder er fungiert als Spiegel, in dem das Subjekt Seelenregungen zu erkennen vermag, die ihm sonst verborgen sind. Entsprechend unterschiedlich wird die Figur des Träumers semantisiert: Wer träumt, kann beispielsweise als „Phantast“ erscheinen, als Lebensuntüchtiger, der vor den Herausforderungen der Realität Zuflucht in die Welt der Träume sucht, oder aber als jemand, der sich träumend selbst erfährt.
In welcher spezifischen Weise der Traum in der Lyrik thematisiert, kontextualisiert und semantisiert wird, hängt von historischen Paradigmen ab, die es im Einzelfall jeweils zu rekonstruieren gilt. Damit ist ein wesentliches Ziel der geplanten Aufsatzsammlung genannt: Diese soll einen Beitrag zu einem Teilbereich der Literaturgeschichte des Traums leisten, der von der Forschung bisher vernachlässigt wurde. Gesucht werden deshalb Aufsätze, die exemplarische Traum-Gedichte der deutschsprachigen Literatur aus dem Zeitraum vom Barock bis zur Gegenwart mit Blick auf ihren jeweiligen historischen Kontext interpretieren. Leitend für die Interpretationen können unterschiedliche literatur-, kultur- oder diskursgeschichtliche Fragestellungen sein, beispielsweise zu folgenden Aspekten:
o Zusammenhänge mit zeitgenössichen Traumdiskursen und -konzepten (Mantik, Theologie, Psycholologie, Psychoanalyse, Philosophie usw.)
o Gattungspoetologische und gattungsgeschichtliche Perspektiven
o Bedeutung des Traums im Rahmen der Poetologie eines Autors oder einer Epoche
o Rhetorische und kommunikative Strategien von Traumerwähnungen oder - erzählungen
o Soziale und kulturelle Bedeutungen und Funktionen des Traums
o Soziale Rolle des Träumers bzw. des lyrischen Ichs
Ausgangspunkt aller Beiträge sollte jeweils ein einzelnes Gedicht sein. An dessen Interpretation können sich dann weiterführende Fragestellungen anschließen – dies muss aber nicht der Fall sein.
Aufbau:
Der geplante Band soll 15 Interpretationen exemplarischer Traum-Gedichten von jeweils ca. 15 Druckseiten Umfang enthalten, außerdem eine Einleitung der Herausgeber und eine Auswahlbibliographie.
Zielgruppe:
Der Band richtet sich an Studierende der Germanistik und Schüler der gymnasialen Oberstufe, aber auch an Leser, die sich für ein bisher wenig beachtetes Motiv in der deutschsprachigen Lyrik interessieren. Die Beiträge sollten daher möglichst allgemeinverständlich formuliert werden.
Herauseber:
Prof. Dr. Bernard Dieterle (Université de Haute-Alsace, Mulhouse)
Prof. Dr. Hans-Walter Schmidt-Hannisa (National University of Ireland, Galway)
Termine:
Bitte senden Sie bis zum 15. Juni 2013 ein Abstract (circa 250 Wörter) zusammen mit einem kurzen CV an beide Herausgeber. Abgabetermin für die Beiträge ist der 30. April 2014.
Kontakt:
Prof. Dr. Bernard Dieterle: [log in to unmask]
Prof. Dr. Hans-Walter Schmidt-Hannisa: [log in to unmask]
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