Centre for East German Studies, The University of Reading
in Zusammenarbeit mit dem
Gesamteuropäischen Studienwerk Vlotho (GESW)
VLOTHO-TAGUNG 2003
16-20 Juli 2003
SPÄTE ERINNERUNG ODER TABUBRUCH?
Deutsche als Opfer von Krieg, Flucht und Vertreibung
'Š diese Reise in diesen Aufbruch hier [brach] etwas in mir auf[Š], in
meiner ganzen eigenen Geschichte, die mir wie durchgerissen und gespalten
und irgenwann versiegelt und verblockt vorkam. (Jürgen Becker: Aus der
Geschichte der Trennungen, 1999)
'Ich habe den Verlust Westberlins, wenn ich die Wiedervereinigung einmal so
nennen darf, in gewisser Weise verschoben verarbeitet, in dem sich mir
plötzlich der Verlust meines ältesten Bruders im Jahr 1945 aufdrängte.'
(Hans-Ulrich Treichel: Der Entwurf des Autors, 2000)
Der Fall der Berliner Mauer und der Zusammenbruch des kommunistischen
Imperiums wurden zunächst als 'Ende der Geschichte' interpretiert.
Inzwischen ist jedoch deutlich geworden, dass ihre Wirkung eine völlig
entgegengesetzte gewesen ist. Nicht nur der Zugang zu bisher verschlossenen
Quellen, sondern auch die neue politische und gesellschaftliche Situation
gaben der Geschichtsschreibung neue Impulse und Perspektiven. Auch in der
Literatur lassen sich, entgegen der Meinung derjenigen, die 1990 eine
Abkehr von historischen Themen forderten, im Roman und im
autobiographischen Erzählen eine fortgesetzte Hinwendung zur Geschichte und
eine intensive Erinnerungsarbeit erkennen, besonders unter der Generation,
die den Krieg bewusst erlebt hat.
Besonderes Interesse gilt nicht nur der Geschichte der untergegangenen DDR
und ihrer Gesellschaft, sondern auch den historischen Ereignissen, die zu
ihrer Entstehung und zur deutschen Teilung führten. Damit ist in Politik
und Gesellschaft vieles, was jahrzehntelang in der 'Tiefkühltruhe' des
Kalten Krieges gefroren lag, wieder in Bewegung gekommen; Themen, die aus
politischen oder moralischen Gründen als tabu galten, dürfen in der
Öffentlichkeit endlich behandelt werden.
Zu den brisantesten dieser lang verschwiegenen Themen gehört das Leid der
deutschen Zivilbevölkerung: die Bombardierung deutscher Städte, die
Vertreibung deutscher Einwohner aus vielen Gebieten Osteuropas, die Flucht
vor der Roten Armee von Ost- nach Westdeutschland und die Trauer um die
verlorene Heimat. Besonders das Erscheinen im Februar 2002 der neuen
Novelle von Günter Grass 'Im Krebsgang' hat großes Aufsehen erregt und die
Aufmerksamkeit auf diese Thematik gelenkt, die auch in Texten von u.a. W.G.
Sebald, Hans-Ulrich Treichel und Martin Walser behandelt wird.
Die geplante Tagung soll sich mit dem Prozess und den Ergebnissen dieser
intensivierten Beschäftigung mit Vergangenheit, besonders mit der
Darstellung von Deutschen als Opfer von Krieg, Flucht und Vertreibung,
auseinandersetzen. Ist dieses neue Interesse qualitativ anders als die alte
'Vergangenheitsbewältigung' in Westdeutschland? Inwieweit zeichnet sich
darin ein Mentalitätswandel in der deutschen Öffentlichkeit ab, der es den
Deutschen erlaubt, sich als Mitopfer des Nazismus zu betrachten? Wie
verhalten sich literarische und autobiographische Darstellungen zu den
Ergebnissen der geschichtswissenschaftlichen Forschung? Und inwieweit ist
es Autoren und Historikern gelungen, das Leid der Deutschen darzustellen
ohne, wie es Grass befürchtet hatte, dem Rechtsradikalismus Vorschub zu
leisten?
Wir bitten um Beiträge (ca. 40 Minuten) in deutscher Sprache von
Historikern und von Literaturwissenschaftlern zu dieser Thematik, sowohl zu
Teilaspekten oder einzelnen literarischen Werken als auch zum Gesamtbild.
Die Tagungskosten betragen ca. 120 Euro, einschließlich Unterkunft und
Verpflegung. Anmeldungen und Beitragsangebote gerne an:
Graham Jackman (e-mail: [log in to unmask])
Department of German Studies,
The University of Reading,
Whiteknights,
Reading
RG6 6AA,
England
Graham Jackman
Dept. of German Studies,
The University of Reading,
Whiteknights,
Reading,
RG6 6AA
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