Grenzüberschreitungen um 1900
Österreichische Literatur im Übergang
Tagung - eine Kooperationsveranstaltung zwischen der
Auslandsgesellschaft NRW und der Universität Dortmund
Daß die Jahrhundertwende im kommenden Jahr ihren 100.
Geburtstag feiert, soll Anlaß genug sein, zum Millennium einen
Blick zurück auf diesen kultur- und sozialhistorisch so
bedeutsamen Zeitraum zu werfen. Dabei werden die
Grenzüberschreitungen im Mittelpunkt stehen, sowohl aus einer
geographischen als auch aus einer disziplinären Perspektive. Diese
programmatische Spezialisierung ist u.a. der Überzeugung
geschuldet, daß eine österreichische Literatur bei aller
Eigenständigkeit der Kontextualisierung bedarf. Die hier projektierte
Tagung paßt sich mit ihrem grenzüberschreitenden Blickwinkel den
Zielsetzungen einer Veranstaltungsreihe der Auslandsgesellschaft
NRW mit dem Titel "Europa erlesen" ein, die im kommenden Jahr
multikulturelles Zusammenleben in (Grenz-) Regionen und Städten
Südost-europas thematisieren wird. Ausgehend vom
österreichischen Kulturraum (dessen Erschließung aus der
deutschen Sicht bereits eine erste Grenzüberschreitung darstellt)
ergeben sich beim Blick über die "Grenzen" hinweg Vergleiche
zwischen den Metropolen Europas, in der Engführung vor allem
einer zwischen der Wiener und der Berliner Jahrhundertwende, dane-
ben eine Unterscheidung von urbanem und ländlichem Leben,
zwischen Metropole, Submetropolen und Provinz. Interne
Sprachgrenzen, die die österreichische Literatur gleichsam
naturgemäß überschreitet, kennt die k.u.k. Monarchie zuhauf. Die
ethnische Vielfalt ist oft genug Thema einer deutschsprachigen
Literatur des Habsburgerreichs, die u.a. auch an der Peripherie
entsteht und lange das Bild einer brüchigen Einheit vermittelt.
Umgekehrt transportieren Berichte aus den Grenzregionen eine
Exotik, die in anderen Staaten nicht auf dem eigenen Territorium zu
haben ist. Im Deutschen Reich entdeckt man zu dieser Zeit die
Attraktivität von Kolonien in Übersee, die auch zu Gegenständen der
Literatur werden. Der literarische Blick über die geographischen
Grenzen hinweg, der die Begehrlichkeiten und die exotistischen
Sehnsüchte, die Konfliktpotentiale und die tatsächlichen
kriegerischen Auseinandersetzungen diskursiv repräsentiert, ist
seinerseits einzubetten in die technischen, kunst- und
geistesgeschichtlichen Entwicklungen, von denen die Zeit um die
Jahrhundertwende geprägt ist. So wird eine kulturwissenschaftliche
Beschäftigung mit der (österreichischen) Literatur, die gegenseitige
Abhängigkeiten und Einflußnahmen untersucht, zur metaphorischen
Grenzüberschreitung. Sie zeigt Literatur in Verbindung mit bildender
Kunst und Musik, in produktiver Auseinandersetzung mit den
Wissenschaften, z.B. mit Psychologie bzw. Psychoanalyse (Freud)
und Physik (Mach). Eine Technikgeschichte der Literatur hebt
zudem die Bedeutung von Innovationen wie dem Auto, dem
Flugzeug, dem Film oder dem Radio hervor. Das Feld der
Grenzüberschreitungen zur Jahrhundertwende ist also weit und
keineswegs beschränkt auf eine Datumsgrenze. Entsprechend
sollen die Vorträge der Veranstaltung dieses Spektrum abbilden.
Referate (mit einer Dauer von 30-40 Minuten) werden die folgenden
Themenbereiche abdecken:
Jahrhundertwende als Epochenbegriff zwischen Fin
de Siècle und Klassischer Moderne
Ausprägungen der Jahrhundertwende in den
Metropolen (Europas und der Welt)
Die Wiener und die Berliner Jahrhundertwende
Zwischen Stadt und Land, Metropole und Peripherie
(typische urbane Topoi und Motive, z.B. Kaffeehaus,
Flaneur etc.)
Ausprägungen des Imperialismus. Österreichischer
Vielvölkerstaat und deutscher Kolonialismus
Exotismus. Reiseliteratur um 1900
Zeitreisen um 1900: Utopien, Science Fiction etc.
Phantastik als literarische Überschreitung der
Realitätsgrenzen
Literatur und Psychologie/Psychoanalyse
Neue Weltbilder: Mach etc. und die Literatur
Literatur und Technik
Literatur und die "neuen" Medien
Literatur zwischen den Künsten (Musik, Bildende
Kunst)
Organisatorische Konzeption
Die Tagung "Grenzüberschreitungen um 1900" ist eine
Kooperationsveranstaltung der Auslandsgesellschaft NRW und der
Universität Dortmund. Sie wird in den Räumen der
Auslandsgesellschaft, Steinstr. 48 in Dortmund stattfinden. Die
Veranstaltung richtet sich nicht nur an spezialisierte
Fachwissenschaftler, sondern auch an ein interessiertes
Laienpublikum. Die Vorträge mit einer jeweiligen Dauer von 30-40
Minuten werden einen dementsprechenden Zuschnitt haben.
Im folgenden haben wir einen vorläufigen Überblick
zusammengestellt. Der noch nicht die endgültige Reihenfolge der
Vorträge festlegt. Einige der Titelformulierungen sind auch noch
nicht endgültig.
Donnerstag 18. Mai 2000: bis ca. 16.00 Uhr Anreise
16.00 Uhr: Kaffee/Geleitworte von der
Geschäftsführung/Dr. Fritz Hofmann,
Begrüßung/Einführung von Dr. Thomas Eicher/Peter Sowa
16.30 Uhr: Dr. Fritz Hackert (Tübingen)/Dr. Thomas Eicher
(Dortmund): Jahrhundertwende heute? Gedanken anläßlich
des Films "Eyes Wide Shut"
17.30 Uhr: Prof. Dr. Donald G. Daviau (Riverside): Die
Rezeption österreichischer Literatur der Jahrhundertwende
in den USA
18.30 Uhr: Abendessen
20.00 Uhr: Lesung von Dietmar Grieser
Freitag 19. Mai 10.00 Uhr: Prof. Dr. Michel Reffet (Dijon):
Die Verlegenheit der Literarhistoriker um die Bezeichnung
der Strömungen in der deutschen Literatur des
Jahrhundertanfangs
11.00 Uhr: Prof. Dr. Hans-Harald Müller (Hamburg):
Literarische Phantastik oder Interpretationsprobleme? Zur
Erzählkonzeption von Leo Perutz
12.30 Uhr: Mittagessen
14.00 Uhr: Gründung der Deutschen Gesellschaft für
Österreichische Literatur und Kultur
15.00 Uhr: Kaffee
16.00 Uhr: Volker Wiemann (Dortmund):
(Kollektiv-)Symbolisch konstruierter Orient. Hofmannsthals
"Märchen von der 672. Nacht"
17.00 Uhr: HD Dr. Rolf Parr (Dortmund): Exotismus und
Kolonien
18.30 Uhr: Abendessen
20.00 Uhr: Rahmenprogramm: Schrammelmusik der
Jahrhundertwende
Samstag 20. Mai 10.00 Uhr: Dr. Fritz Hackert (Tübingen):
Kaffeehäuser in Wien und anderswo
11.00 Uhr: Prof. Dr. Rüdiger Görner (London): Ringstaße
oder Square. Junges Wien und Dandyismus
12.30 Uhr: Mittagessen
14.00 Uhr: Univ.-Doz. Dr. Roland Innerhofer (Wien):
Technische Zukunftsbilder in der österreichischen Literatur
um die Jahrhundertwende
15.00 Uhr: Kaffee
16.00 Uhr: Prof. Dr. Heide Eilert (Leipzig): Der Dichter als
Kunstkritiker. "Grenzüberschreitungen" in der frühen
Essayistik von Hugo von Hofmannsthal und Rainer Maria
Rilke
17.00 Uhr: Dr. Gertraud Steiner Daviau (Wien): Graf
Alexander "Sascha" Kolowrat, ein Aristokrat als Filmpionier
18.30 Uhr: Abendessen
20.00 Uhr: Rahmenprogramm: Das Ruhrgebiet zur
Jahrhundertwende (Sightseeingtour mit dem Bus)
Sonntag 21. Mai 10.00 Uhr: Prof. Ladislaus Füredi:
Musikalische Innovationen der Jahrhundertwende
11.00 Uhr: Matinee (Klavierkonzert)
Abreise
Ansprechpartner:
Peter Sowa
Auslandsgesellschaft NRW e.V.
Steinstr. 48
44147 Dortmund
Tel: 0049/231/83800-25
Fax: 0049/231/83800-55
http://www.auslandsgesellschaft.de/
e-mail: [log in to unmask]
Dr. Thomas Eicher
Universität Dortmund
Fakultät 15
Institut für deutsche Sprache und Literatur
44221 Dortmund
Tel: 0049/231/755-2922
Fax: 0049/231/755-4498
http://129.217.215.28/
e-mail: [log in to unmask]
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