Glasobjekte im höfischen Kontext. Produktion, Nutzung und Wirkung in der Frühen Neuzeit (1500-1800)

 

Schloss Heidecksburg, Rudolstadt, 21. - 23.11.2019

 

Glas spielt als Material eine bedeutende Rolle im höfischen Kontext der europäischen Frühen Neuzeit. Ungeachtet dieser Tatsache hat es bislang jenseits von wenigen Spezialpublikationen zu einzelnen Gattungen kaum Aufmerksamkeit erfahren. Aufgrund seiner Eigenschaften der Durchsichtigkeit (Transluzidität) und Härte, seiner Fähigkeit, Licht zu reflektieren oder zu bündeln, seinen unterschiedlichen Farben, seiner Bearbeitbarkeit durch Schliff, Schnitt und Riss, seiner Hitzebeständigkeit und seiner Geruchs- und Geschmacklosigkeit, fand Glas in verschiedenen Feldern des höfischen Lebens wie Alltag und Festkultur, Alchemie und Medizin, Sammlung, und Astronomie, als architekturgebundenes Element und als Teil von Interieurs, als optisches Instrument, als Teil von Tischdekoration und Trinkkultur sowie als Träger und Hilfsmittel breite Anwendung. Aber auch als Wirtschaftsfaktor war die Glasproduktion innerhalb der eigenen Territorien als Steuerquelle und als Teil der Prestigekonkurrenz für die Fürstenhäuser von Bedeutung.

 

Architekturgebundenes Glas (Fenster) ermöglichte die Durchleuchtung der Innenräume von Residenzen, Hofkapellen und Orangerien; Spiegelglas zeigt sich als Ausstattungselement höfischer Interieurs im Rahmen kompletter Raumtypen wie etwa Spiegel- oder Porzellankabinetten oder als wandfeste Einzelelemente wie etwa Kaminspiegeln. Sie vergrößerten und vervielfachen so den optischen Raumeindruck. In Gartensälen und Grotten kamen farbige Glassteine als dekorative Elemente zum Einsatz. Glasperlen zierten wandfeste textile Ausstattungen. Luftmöbel wie Kronleuchter; Wandblaker oder aufwendige Kandelaber mit geschliffenem Behang ermöglichten eine nächtliche Beleuchtung mit Hilfe von je nach Anlass mehr oder weniger Kerzen, deren Schein das Glas funkeln ließ. Laternen erleuchteten nächtliche Ausflüge.

 

Glasgefäße dienten zur Aufbewahrung von Flüssigkeiten wie Wein oder als Transportbehälter für Medizin in Reiseapotheken. In Glas wurden Speisen konserviert. Glas in Form von Pulver diente selbst als Medizin und als Glasur (Emaille) der Oberflächengestaltung. Gläserne Schröpfköpfe wurden zur Gesundung appliziert, Brillen und Lorgnons glichen schwindende Sehfähigkeiten aus. Die Erfindung des Fernrohrs ermöglichte die Beobachtung des Himmels in höfischen Sternwarten. Kleine Fernrohre mit Glaslinsen erleichterten den Theaterbesuch. Lupen ermöglichten die intensive Auseinandersetzung mit der bis dato unbekannten Welt der mikroskopischen Details. Optische Curiosa waren Teil von Kuriositätenkabinetten. Gläserne Musikinstrumente erzielten nicht nur visuelle, sondern auch akustische Reize. Glasphiolen beinhalteten Parfüm. Glasblumen imitierten echte Blumen in Vasen. Glaskugeln ersetzten die Augen präparierter Tiere in naturkundlichen Sammlungen. Glas galt als Alternative zum Diamanten in Schmucksteinen.

 

Die Tagung will den Blick vom fertigen (Kunst)Werk aus erstens auf die Frage nach den Bezugsquellen und der Produktion lenken, zweitens auf die Nutzungen und die bewussten wie unbewussten Praktiken des Umgangs mit einzelnen Gattungen sowie drittens auf die sinnliche Wirkung und ästhetische Wahrnehmung von Glasobjekten. Wer kümmert sich um die Glasobjekte? Gibt es einen Glaskämmerer für die Luxusgläser? Sind Waldgläser verschleißbare Massenprodukte? Was passiert, wenn ein Fensterglas im Schloss zerspringt? Welche Trinkspiele werden mit gläsernen Scherzgefäßen ausgeführt? Wo werden Glasobjekte eingekauft? Wie ist das Verhältnis von Nahmarkt, Messekäufen und der Beschäftigung von Kunstagenten? Wie werden Glasobjekte transportiert? Daneben werden ‚klassische‘ Fragestellungen wie etwa der Rolle von Glasobjekten im höfischen Zeremoniell verfolgt.

 

Die Konferenz ist interdisziplinär und will Vertreterinnen und Vertreter von allen Historischen Kulturwissenschaften (Geschichte, Kunstgeschichte, Musikwissenschaften, Ethnologie) ansprechen sowie besonders die Kolleginnen und Kollegen aus Museum und Restaurierung zur Teilnahme einladen. Welche Probleme ergeben sich bei der Bewahrung, Vermittlung und Ausstellung von Glasobjekten? Wie geht man mit Glaskrankheit um?

 

Die Tagung entsteht in der Kooperation zwischen dem BMBF-geförderten Forschungsprojekt „Glas zwischen 1600 und 1800 in Thüringen“ und dem Rudolstädter Arbeitskreis zur Residenzkultur e.V. und wird finanziert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

 

Vortragsvorschläge von maximal einer Seite mit einer Kurzbiographie bitte bis zum 1. März an: [log in to unmask]

 

 

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