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Link-Tipp: Brexit-Gipfel ohne Großbritannien: EU in seltener Einigkeit (tagesschau.de)

http://www.tagesschau.de/ausland/eu-brexit-verhandlungen-105.html

EU beschließt Leitlinien für Brexit

tagesschau 20:00 Uhr, 29.04.2017, Markus Preiß, ARD Brüssel

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Die EU-Staats- und Regierungschefs haben bei ihrem Brexit-Sondergipfel ohne Großbritannien ungewöhnliche Geschlossenheit demonstriert: In Minutenschnelle wurde die Brexit-Strategie durchgewunken. Auf London kommen nun einige Probleme zu.

Von Sebastian Schöbel, ARD-Studio Brüssel

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte es vor dem Gipfel extra erwähnt: "Speziell" werde dieser Europäische Rat, weil sich ganz formal nur 27 statt 28 EU-Länder treffen. Eine Konstellation, die es nur für den Fall des Austritts eines Mitglieds gibt.

Das tat dem Arbeitstempo aber offenbar gut: Lange diskutiert oder abgestimmt wurde über die Brexit-Strategie nicht, berichtete Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Durch Applaus wurde kundgetan, dass dies ein richtiger Text ist, und dann war er verabschiedet.

"Weniger als 15 Minuten dauerte das - manche behaupteten später gar, es wären weniger als 60 Sekunden gewesen, ein Gipfel-Rekord. Keiner scherte aus, die EU-27 demonstrierten Zusammenhalt.

Auf neun Seiten geben die Regierungschefs vor, wie der Brexit abgewickelt wird - und zwar knallhart, ohne Rücksicht auf britische Sonderwünsche wie zum Beispiel parallele Gespräche über die Zeit nach dem Brexit. EU-Ratspräsident Donald Tusk stellte klar: Phase eins der Gespräche werde sich um drei - und nur drei - Themen drehen: “Bevor es um die künftige Beziehung zu GB geht, müssen wir erst ausreichend Klarheit bei Bürgerrechten, den Finanzen und der Grenze in Irland haben."

Und wer bestimmt, was "ausreichend" heißt? Auch da seien die Brexit-Leitlinien der EU deutlich, so Tusk: "Es wird eine einstimmige Entscheidung der Regierungschefs der EU-27 sein" - also ohne Großbritannien.

Im Juni, nach den britischen Wahlen, sollen die Gespräche beginnen. Bis Herbst könnte die erste Phase abgeschlossen sein, hofft Merkel. Ob London dann die bereits kolportierte Austrittsrechnung über 60 Milliarden Euro bekommt, sei nicht festgelegt worden: "Mir wurde keine Summe vorgelegt", so die Kanzlerin.

Wer bekommt die britischen EU-Institutionen?

Klar ist hingegen schon jetzt, dass die EU-Bankenaufsicht und die Arzneimittelbehörde EMA, die derzeit beide in London angesiedelt sind, abgezogen werden. In Deutschland hoffen unter anderem Bonn und Frankfurt darauf, den Zuschlag zu bekommen. Die Entscheidung ist für Juni geplant - also pünktlich zum Start der Verhandlungen.

Das wird der britischen Regierung aber vermutlich egal sein: Sie hat durch den Brexit-Gipfel ein neues, größeres Problem auf den Tisch bekommen. Irlands Regierungschef Enda Kenny berichtete zufrieden: Die Wahrung des Friedensprozesses mit Nordirland und die Vermeidung einer harten Grenze nach dem Brexit habe laut den Leitlinien für die EU absolute Priorität.

Und damit nicht genug: "Wenn die Wiedervereinigung Irlands und Nordirlands auf demokratischen Wege irgendwann zustande kommen sollte, dann ist der automatische EU-Beitritt Nordirlands garantiert. Dieses juristische Prinzip haben die EU-27 einstimmig akzeptiert."

Zwar bräuchte es dafür noch ein Referendum in Nordirland - und dafür gebe es derzeit keine Grundlage, so Regierungschef Kenny. Doch das Signal Richtung London ist klar: Die EU öffnet für einen Landesteil des Vereinigten Königreichs, der gegen den Brexit gestimmt hat, die Tür - zumindest einen Spalt weit. Auch in Schottland wird man das sehr aufmerksam zur Kenntnis nehmen. Und in London als Warnung verstehen: Die EU ist bereit, in Sachen Brexit sehr hart zu verhandeln.

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