Aus der Süddeutschen Zeitung: Titelseite, 09.12.2014 Migrationspolitik. Die CSU knickt ein
================== Von Mike Szymanski
Die CSU will Migranten nun doch nicht vorschreiben, zu Hause Deutsch zu sprechen. Nach heftigen Protesten und viel Spott schwächte der Parteivorstand am Montag eine entsprechende Formulierung im Leitantrag für den Parteitag nächstes Wochenende ab. "Wer dauerhaft
hier leben will, soll motiviert werden, im täglichen Leben Deutsch zu sprechen", heißt es nun in dem Papier, das einstimmig vom Vorstand gebilligt wurde und den Delegierten vorgelegt werden soll.
In der am Freitag bekannt gewordenen Ursprungsfassung hatte es noch geheißen, man wolle Migranten "dazu anhalten, im öffentlichen Raum und in der Familie Deutsch zu sprechen". Bis zu der Sitzung am Montag hatte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer den Satz verteidigt.
Man habe ihn in der öffentlichen Debatte absichtlich missverstehen wollen. In der Sitzung des Vorstands, an der Parteichef Horst Seehofer krankheitsbedingt nicht teilnehmen konnte, wurde allerdings der Druck zu groß. Die umstrittene Formulierung wurde geändert.
Seehofer selbst hatte am Wochenende angekündigt, sich die Passage noch einmal genau anzuschauen. Er hatte den Eindruck vermittelt, das Papier nicht im Detail gekannt zu haben.
Scheuer sagte, der Entwurf sei in der Parteispitze "breit abgestimmt" gewesen. Anfang vergangener Woche sei das Papier der CSU-Führung übermittelt worden. "Ich gehe davon aus, dass der Parteivorsitzende alles liest", erklärte Scheuer nach der Vorstandssitzung.
Die Verantwortung für die Passage will er nicht allein übernehmen. Danach gefragt, wer genau den Satz in den Leitantrag geschrieben hat, antwortet er: "Das Team aller."
Am Montag waren auch immer mehr Parteikollegen von der Forderung abgerückt. Am deutlichsten meldete sich Partei-Vize Peter Gauweiler zu Wort. "Es muss jeder zu Hause sprechen können, wie er möchte", sagte er und forderte seine Vorstandskollegen auf, die Formulierung
noch zu ändern. Der Vorsitzende der Konservativen im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), sagte: "Wir wollen keine Sprachpolizei und niemanden im Wohnzimmer überwachen." Klar sei aber der Appell: "Jeder soll Deutsch sprechen in diesem Land, nur dann kann
man Integration gewährleisten."
Im Vorstand wurde nach Teilnehmerangaben lange um die richtige Formulierung gerungen. Es habe eine starke Fraktion gegeben, die vorschlug, nicht zu viel zu ändern. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann soll darauf hingewiesen habe, dass die Debatte aber nicht
mehr zur Ruhe komme, wenn die CSU nicht klarstelle, was sie wolle.
In der Schwesterpartei CDU, die sich von diesem Dienstag an zum Parteitag in Köln trifft, war der Vorstoß größtenteils auf Kritik gestoßen. CDU-Chefin Angela Merkel unterstrich am Montag die Vorteile zweisprachiger Erziehung. "Gute Deutschkenntnisse gehören
zur Integration dazu", sagte die Kanzlerin beim Hallenrundgang in Köln. "Allerdings ist es auch kein Fehler, wenn Kinder zum Beispiel zweisprachig aufwachsen und eine Fremdsprache weniger lernen müssen. Ich halte das insgesamt für einen Vorteil."
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Mike Szymanski
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Geboren in Bremen, Jahrgang 1977. Beginnt seine journalistische Laufbahn bei der "Norddeutschen", einer Lokal-Ausgabe vom Bremer Weser Kurier. Der Weg zur Süddeutschen Zeitung führt über Berlin: Publizistik- und Politik-Studium an der Freien Universität und
freie Mitarbeit bei der Berliner Zeitung. Nach einer Zwischenstation bei der Frankfurter Rundschau folgt 2003 das Volontariat bei der Süddeutschen Zeitung. Für die SZ berichtet Mike Szymanski von 2005 bis 2009 als Korrespondent aus Augsburg. Danach kümmert
er sich um die Wirtschaft in Bayern. Seit 2010 ist er landespolitischer Korrespondent der Bayern-Redaktion.
Prof. Henrike Lähnemann
Chair of German Studies | School of Modern Languages, Old Library Building, Newcastle University, GB - NE1
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