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Call for Papers: Arbeitspolitik in globaler Perspektive: Konzepte, Befunde und Herausforderungen

Tagung an der Universität Kassel, 22.-23. November 2012

Einsendeschluss für Abstracts (500 Wörter): 31. August 2012



Link zum CfP:
http://www.social-globalization.uni-kassel.de/cfp_arbeitspolitik-in-globaler-perspektive

Tagungshomepage:
http://www.social-globalization.uni-kassel.de/arbeitspolitik-tagung

Erwerbs- wie Reproduktionsarbeit waren in den letzten Jahrzehnten zahlreichen Veränderungen unterworfen, die sich am besten in globaler Perspektive verstehen lassen und Wissenschaft wie Politik vor neue Herausforderungen stell(t)en. Arbeitspolitik scheint hierbei eine Schlüsselrolle einzunehmen, die es in internationalen Kontexten neu zu bestimmen gilt. Prozesse, die vielfach unter dem Schlagwort „Globalisierung“ subsumiert wurden, hatten in den vergangenen Jahren weltweit nachhaltige Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Hierzulande prägte der male breadwinner in der fordistischen Massenproduktion, eingebettet in Systeme sozialer Sicherung nicht nur empirisch, sondern auch konzeptionell lange Zeit das Bild der Arbeit. Debatten um die „Erosion des Normarbeitsverhältnisses“ oder dem „Ende der Arbeitsgesellschaft“ gaben früh vor, Strukturveränderungen und einem „Funktionswandel“ der Arbeit Rechnung zu tragen und stellten liebgewordene Kategorien auf die Probe.

Demgegenüber machten formelle Arbeitsverhältnisse im globalen Süden schon immer die gesellschaftliche Minderheit aus. Sie gehen bis heute über in ein heterogenes Feld informeller Beschäftigung. Arbeiten „auf eigene Rechnung“, Gelegenheits-, Überlebens- und Hausarbeiten, Lohnarbeit ohne Arbeitsvertrag oder verschiedene Formen der Selbständigkeit prägen hier die Beschäftigungsstruktur. Mit Konzepten der „Marginalisierung“ oder der „Informalität“ werden seit geraumer Zeit jene Strukturmerkmale gefasst, die im Kategoriengerüst der Arbeitsmarktforschung des globalen Nordens keine Entsprechung finden. Rund um die Welt halten sich seit einigen Jahrzehnten beharrlich verschiedene Tendenzen der Flexibilisierung der Arbeit, mit dem Effekt, dass mittlerweile eine Vielzahl der Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse im Norden als unsicher, heikel und somit prekär gelten, während sich im globalen Süden die informelle Ökonomie reproduziert und als persistentes Strukturmerkmal herausstellt.

Derartige Dynamiken der Arbeitswelt sind keineswegs ausschließlich Produkte der „unsichtbaren Hand“ des Marktes. Sie werden z.B. über die Institutionalisierung der Arbeitsbeziehungen, Arbeitsrechtsprechung, Arbeitsmarktpolitiken, aber auch Formen der Sozialpolitik durch „sichtbare Hände“ der Politik konstituiert. ‚Arbeitspolitik’ als eigenständiges Politikfeld zu betrachten ist hierzulande allerdings ungewöhnlich. Seit jeher bewegt sich der Begriff gewissermaßen amorph zwischen etablierten Forschungstraditionen. So wurden und werden z.B. von Studien der Industriellen Beziehungen, der Wirtschaftswissenschaften, der Internationalen Politischen Ökonomie, des Arbeitsrechts oder auch der Sozialpolitikforschung verschiedene Facetten der politischen Konstituierung der Arbeitswelt beleuchtet. Arbeitspolitik bewegt sich danach immer im Spannungsfeld verschiedener ökonomischer Strukturzwänge, politischer Legitimitätsanforderungen sowie sozialer und kultureller Normen. Arbeitspolitiken können einerseits innerhalb von transnationalen Produktions- und Wertschöpfungsketten verschieden verortet vor sehr unterschiedlichen Herausforderungen stehen. Andererseits weisen Struktuveränderungen in Nord und Süd gemeinsame inhaltliche Schnittmengen auf, wie Debatten hierzulande um die Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen und Phänomene der Informalität, wie sie im globalen Süden seit geraumer Zeit diskutiert werden.

Standen die meisten Forschungsstränge zu Arbeitspolitiken bisher oft lose nebeneinander, scheint ein Austausch der verschiedenen disziplinären Zugänge im Kontext einer globalen Perspektiverweiterung produktive Neubewertungen zu erlauben. Die Tagung in Kassel möchte darum das Spannungsverhältnis von Arbeitspolitik zwischen Partikularitäten und Gemeinsamkeiten aus verschiedenen Blickwinkeln diskutieren. Ziel ist es herauszufinden, ob sich bei aller regionaler Varianz in der Arbeitspolitik weltweit gemeinsame Faktoren, Muster oder Dynamiken identifizieren lassen, die Hinweise geben, wie Arbeitspolitik methodisch und theoretisch analysiert werden kann, ohne lokale – z.B. koloniale – Legate oder unterschiedliche politische Kulturen zu vernachlässigen und ob und welche Handlungsanleitungen sich aus solchen Befunden ergeben.

Panel A: Globale Arbeitspolitik zwischen Leitbild und Implementation

Neben einer Entgrenzung von Arbeitsmarktdynamiken und sozialen Notlagen lassen sich auf vielfältige Art und Weise Momente globaler Regelsetzung in Form von Arbeitsrechts- und Sozialstandards identifizieren. Sie können von Standards in internationalen Handelsabkommen, über Strategien der Unternehmensführung – wie die Corporate Social Responsibility (CSR) – bis hin zur decent work Agenda der ILO reichen. Wie weit reicht die Steuerungskapazität solcher Ansätze? Wo liegen Implementationsblockaden für eine globale Arbeitspolitik?

Panel B: Arbeitnehmervertretungen zwischen gestern und morgen

Wandlungsprozesse der Arbeitswelt stellen Gewerkschaften und andere Formen der Arbeitnehmervertretung in vielfacher Hinsicht vor neue Herausforderungen. Neben veränderten Strukturbedingungen oder dem institutionellen Wandel der Arbeitsbeziehungen verschieben sich Linien der Arbeits- und Verteilungskonflikte. In den letzten Jahren haben weltweit Debatten um gewerkschaftliche Erneuerungsstrategien wie dem des Organizings oder des Social Movement Unionisms zugenommen. Worin bestehen Herausforderungen gewerkschaftlicher Erneuerung? Inwieweit können Gewerkschaften weltweit „voneinander lernen“ und wo liegen Grenzen der Übertragung von Strategien gewerkschaftlicher Erneuerung?

Panel C: Informelle Ökonomien und informelle Arbeit:  Konzepte, Befunde und politische Antworten

Verschiedene Konzepte versuchen das heterogene Feld informeller Tätigkeit empirisch und theoretisch zu ergründen. Was sind Stärken und wo liegen die Erkenntnisgrenzen gegenwärtiger Informalitätsstudien? Beschäftigte in der informellen Ökonomie sind überproportional von Armut betroffen, ihre Arbeitsbedingungen können oftmals als prekär gelten. Welche Antworten findet die Arbeitspolitik auf Phänomene der Informalität oder ist die informelle Ökonomie gerade Ausdruck der Tatsache, dass staatliche Steuerungsfähigkeit an dieser Stelle begrenzt ist? Ist Informalität Alleinstellungsmerkmal des globalen Südens, oder helfen uns die Konzepte auch bei der Analyse der Arbeitswelt im globalen Norden?

Panel D: ‚Green Jobs’ als Antwort auf die sozial-ökologische Frage?

Die soziale Frage zu Beginn des 21. Jahrhunderts stellt sich zunehmend auch als ein ökologisches Problem dar. Die Folgen des Klimawandels oder der Extraktion knapper Ressourcen korrespondieren vermehrt mit sozialen Notlagen. Das Konzept der Green Jobs  setzt an dieser Problemverschränkung an und diskutiert Arbeitspolitiken im Spannungsfeld zwischen Anforderungen der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit auf der einen und sozial verträglicher und nachhaltiger Arbeit auf der anderen Seite. Was sind die Voraussetzungen und besten Instrumente, um den ökologischen Strukturwandel sozial gerecht und Sozialpolitiken umweltverträglich und international zu gestalten? Wie stellt sich die sozial-ökologische Frage in der Arbeitswelt konkret? Welche Problemlösungspotentiale bietet das Konzept der Green Jobs und vor welchen Umsetzungsschwierigkeiten steht es?

 

Call for Papers

In jedem der oben genannten Themen sollen in vier Panels konzeptionelle Einführungen und Fallstudien aus verschiedenen Weltregionen vorgestellt werden. Bewerbungen sind möglich mit Beiträgen, die die arbeitspolitischen Konfigurationen theoretisch aus unterschiedlicher Perspektive reflektieren sowie anhand eines der Schwerpunktthemen empirisch darstellen. Die Vorträge sollen 20 Minuten umfassen. Insbesondere sollen sich die Beiträge mit folgenden Fragen beschäftigen:

1. Wo und wie weit helfen die bewährten Methoden und Theorien der westlichen Forschung weiter, sich dem Feld der Arbeitspolitiken in seinen internationalen Facetten anzunähren. Wo versagen sie, wo sind neue Zugänge erforderlich? Wie gewinnbringend (oder gar hindernd) sind Theorietransfers von Nord nach Süd oder umgekehrt?

2. Restrukturierungen in der Arbeitswelt haben nachhaltige Auswirkungen auf verschiedene Dimensionen sozialer Ungleichheit und können in tradierte politische Muster und soziale Hierarchien eingreifen. Wo und wie werden hierbei Herrschaftsverhältnisse verändert, an welchen Stellen reproduzieren sie sich?

3. Arbeitspolitiken können nur unter besonderer Berücksichtigung von Geschlechterverhältnissen analysiert und verstanden werden. International sind immer noch Frauen am stärksten von Ungleichheiten, Armut und prekären Arbeitsverhältnissen betroffen. Gleichzeitig haben sich in verschiedenen Ländern die Bildungs- und teilweise auch politischen Beteiligungschancen von Frauen verbessert. Als Querschnittsthema soll in jedem Panel mindestens ein Beitrag reflektieren, wie sich die Geschlechterverhältnisse darstellen, welche analytischen Einsichten und Handlungsanregungen ihre Betrachtung erlaubt.

4. Wie stellen sich vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen die Problemlösungskapazitäten von Arbeitspolitiken dar? Wo liegen institutionelle oder strukturelle Blockaden und Grenzen der Politikgestaltung? Wie wird methodisch und analytisch mit den Kategorien Macht und Herrschaft umgegangen?
Für die VerfasserInnen der ausgewählten Paper werden im Rahmen einer Aufwandsentschädigung unter anderem Reise- und Übernachtungskosten getragen. NachwuchswissenschaftlerInnen werden besonders aufgefordert, ihre Arbeiten vorzustellen.

Die Tagung an der Universität Kassel beginnt am 22. November 2011 um 14:00 Uhr und endet am 23. November um 17:00 Uhr.

Einsendeschluss für Abstracts (500 Wörter): 31. August 2012

an: Nico Weinmann, [log in to unmask]