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Osteuropäische Geschichte und Globalgeschichte
 
Tagung des VOH am 24./25.2.2011 im Herder-Institut Marburg
 
Globalgeschichte hat Konjunktur. Zeitschriften, Publikationsreihen und Institute führen den Begriff des Globalen in ihrem Namen und verweisen damit auf die paradigmatische Qualität, die die Globalgeschichte jüngst gewonnen hat. [1] Globalgeschichte ist kurz gefasst „Interaktionsgeschichte in weltumspannenden Systemen“. [2] Sie betont Verflechtungen in einer relationalen Geschichte der Moderne, ist einer nicht-eurozentrischen Argumentation verpflichtet und strebt die Überwindung rein nationalgeschichtlicher Narrative und Deutungsmuster an. Dabei baut die Globalgeschichte auf Weltsystemstudien, Zivilisationsanalysen, der Geschichte der Globalisierung und den postcolonial studies auf. [3] Regionen wie Amerika, Europa, Asien und Afrika sowie Meere wie der Atlantische Ozean und der Indische Ozean stehen gleichermaßen im Fokus der Globalgeschichte wie auch der jüngsten Diskussion um das Verhältnis der Area Studies zur Globalgeschichte.[4] Der Osten
 Europas ist dabei einer doppelten Marginalisierung unterlegen: innerhalb Europas randständig und weder ein Kontinent noch eine Zivilisation ist er durch das regionale Aufmerksamkeitsraster der Globalgeschichte durchgefallen.
 
Vor diesem Hintergrund soll die Tagung des VOH ein Forum bieten, auf dem eine Diskussion über das Verhältnis zwischen Osteuropäischer Geschichte und Globalgeschichte stattfinden kann. Der Veranstaltung liegen drei Leitfragen zugrunde, die darauf zielen, Ostmitteleuropa, Südosteuropa, das Russische Reich und die Sowjetunion in globalgeschichtliche Zusammenhänge zu stellen: 1) Wie tief ragen globale Prozesse in die Geschichten des östlichen Europa hinein? 2) Welche globalen Verknüpfungen lassen sich vom Osten Europas aus betrachtet feststellen? 3) Welche Perspektiverweiterungen und konzeptionellen Revisionen können sich aus der Verschränkung von Osteuropäischer Geschichte und Globalgeschichte ergeben? Zur Betrachtung bieten sich im Einzelnen eine ganze Reihe von Konzeptionen, Themen und Fragen an. Wie kann die Globalgeschichte Grundsatzfragen der Osteuropäischen Geschichte, die auf Modernisierungs- und Rückständigkeitsparadigmata basieren, neu
 rahmen? Wie kann sich die an Imperial- und Kolonialgeschichten reiche Osteuropäische Geschichte in die Globalgeschichte einschreiben? Welchen Stellenwert besitzen Multiethnizität und Nationsbildung im östlichen Europa für die Globalgeschichte? Wie können Verknüpfungen zwischen Russland und der Sowjetunion einerseits und Asien, Afrika und Lateinamerika andererseits die Osteuropahistoriographie noch weiter vom geschichtsphilosophischen Klassiker „Russland und Europa“ emanzipieren? Welche Transfers lassen sich aus dem östlichen Europa in die Welt feststellen? 
 
Der call for papers ermutigt zur Meldung von Beiträgen aus der Osteuropäischen Geschichte, die sich mit unterschiedlichsten Themen befassen und bereit sind, sich auf die oben genannten Leitfragen einzulassen. Exemplarisch seien genannt: Modernisierung und Rückständigkeit, Imperium und Kolonialismus, zivilisatorische Missionen, Kulturtransfers, Religionen, Raum und Umwelt, Mobilität und Migration, Tourismus, Konsum, globale Organisationen und Professionen, Kapitalismus, regionale, überregionale und globale Märkte sowie freie und unfreie Arbeit. 
 
Auf der Tagung sollen Vorträge von 20 bis max. 30 Minuten Länge gehalten und von Vertreter/innen globalgeschichtlicher Ansätze, die sich zum Teil nicht explizit mit Osteuropa beschäftigen, kommentiert werden. Es ist möglich, einzelne Vorträge oder auch Sektionen aus zwei oder drei Vorträgen vorzuschlagen. Interessierte werden gebeten, bis zum 30.06.2010 ein Exposé von maximal einer Seite sowie einen kurzen Lebenslauf in deutscher oder englischer Sprache einzureichen. 
 
Vorschläge incl. Exposé und Lebenslauf schicken Sie bitte per e-mail an:
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Julia Obertreis und Martin Aust
 
[1] Exemplarisch seien das Journal of Global History, die Reihe Globalgeschichte im Campus Verlag und das Global and European Studies Insitute an der Universität Leipzig genannt.
 
[2] Jürgen Osterhammel: „Weltgeschichte“: Ein Propädeutikum, in: GWU 9/2005, S. 452-479, hier S. 460.
 
[3] Sebastian Conrad/Andreas Eckert: Globalgeschichte, Globalisierung, multiple Modernen: Zur Geschichtsschreibung der modernen Welt, in: Sebastian Conrad/Andreas Eckert/Ulrike Freitag (Hg.): Globalgeschichte. Theorien, Ansätze, Themen, Frankfurt am Main 2007 (Globalgeschichte 1), S. 7-49.
 
[4] Birgit Schäbler (Hg.): Area Studies und die Welt. Weltregionen und neue Globalgeschichte, Wien 2007.