Call for Papers Die Arbeitsgemeinschaft "Frauen im Exil" in der Gesellschaft für Exilforschung e.V. plant, ihre 18. interdisziplinaere, internationale Tagung in Kooperation mit der Alice-Salomon-Fachhochschule zum Thema „Die Vertreibung des Sozialen“ zu veranstalten. Die Tagung wird anlaesslich des 100jaehrigen Gruendungsjubilaeums der Alice Salomon-Schule vom 24. bis 26. Oktober 2008 in Berlin stattfinden. Die Vertreibung des Sozialen waehrend der NS-Herrschaft ging einher mit der Gefaehrdung der Emanzipation der Frauen und der juedischen Bevoelkerung und mit dem Einzug von willkuerlicher Machtausübung und von Haerte im zwischenmenschlichen Umgang. Individuelle Hilfsbeduertigkeit jeglicher Art stand im krassen Widerspruch zu dem konstruierten Hyper-Sozialen, der Volksgemeinschaft, die den Einzelnen und alle konkret sozialen Zusammenhaenge auszuloeschen begann. Die Tagung soll demzufolge die Bedeutung des Sozialen im Kontext des Exils thematisieren und die Erfahrungen und den Beitrag von Frauen diskutieren. Frauen beteiligten sich an der oeffentlichen Auseinandersetzung um das Soziale, seit die Frage um 1900 angesichts der aufbrechenden Klassen-, Generationen- und Geschlechterkonflikte und zunehmender Vereinzelung neu gestellt wurde. Sie entwickelten Konzepte und Projekte im Bereich der (Sozial-)Paedagogik, der Sozialen Arbeit und der (Sozial-)Psychologie, die sie als professionelle Taetigkeitsbereiche zugleich neu schufen. Das Besondere dabei war, dass sie individuelle Emanzipation und soziale Verantwortung miteinander verbanden. Unter den sozial und politisch engagierten Frauen, zu denen Schriftstellerinnen, Sozialreformerinnen, Juristinnen, Aerztinnen, Paedagoginnen, Wissenschaftlerinnen u.a. gehoerten, waren juedische Frauen in grosser Zahl vertreten. Sie halfen ein Konzept des Sozialen zu formulieren, das mit der Orientierung auf Gerechtigkeit deutlich von der juedischen Tradition der Zedakah (Wohlfahrt) mitgepraegt war. 1933 wurde diese Tradition zerstoert, ihre Vertreterinnen (und Vertreter) verfolgt und ins Exil verbannt. Einige, wie Alice Salomon, erkannten schnell, dass die Ideen und Konzepte, die sie vertraten, keine Chance mehr hatten und begannen, nach Auswanderungsmoeglichkeiten zu suchen, so dass auf diese Weise eine Art Export des Sozialen mit großem Nutzen für die Zufluchtslaender stattfand. Nach 1945 kehrten nicht wenige Emigrantinnen (und Emigranten) (vorübergehend) nach Deutschland zurück, um beim Aufbau einer demokratischen Gesellschaft mitzuwirken, unter ihnen viele in sozialen Bereichen Taetige. Angebote für Tagungsbeitraege, die auf diesem Hintergrund die sozialen Aspekte der Emigration, des Exils und der Remigration ins Zentrum stellen, sollten folgenden Fragestellungen nachgehen: Welche Bedeutung hatte persoenliche und institutionelle Hilfe unter den Bedingungen von Verfolgung, Vertreibung und Exil? Welche Veraenderungen sind zu erkennen? Wie wurde Hilfe erfahren und erlebt, worin bestand sie und in welcher Weise wurde geholfen? Wer leistete sie, welche Vereine, staatlichen/oeffentlichen Einrichtungen etc.? Wer hat wem geholfen? Wurde Hilfe überwiegend von Frauen gewaehrt? Welcher Art war die Hilfe von Frauen? Welcher Art die von Maennern? Welche Bedeutung hatte Helfen zwischen den Generationen? Worauf basierte die Hilfe? Was waren ihre Motive, Hintergruende? Welche bewussten oder unbewussten Einflüsse juedischer Wohlfahrtstraditionen waren von Bedeutung? Worin aeußern sich diese oder andere Einfluesse? Welche Konflikte gab es im Zusammenhang von Hilfe/Hilfewuenschen/Hilfeerwartungen, wie wurde mit ihnen umgegangen? Welche Moeglichkeiten hatten Emigrantinnen (und Emigranten?) aus sozialen Berufen, in den Exillaendern ihren Beruf auszuueben? Welche Unterschiede zur Berufspraxis in Deutschland waren für sie relevant, wie wurden sie konkret erfahren (und bewertet)? In welcher Weise veraenderte sich ihr Verstaendnis der sozialen Arbeit, z.B. im Hinblick auf den Umgang mit den Hilfesuchenden, die Zielsetzung, die politische Bedeutung? Welche Rolle spielte die Erfahrung der Emigration/des Exils für die (in der) soziale(n) Betaetigung? Inwieweit haben sich Emigrantinnen in den Aufnahmeländern ehrenamtlich sozial engagiert? Was blieb von dem, was sie mitbrachten, in der Kultur des Exillandes, wurde dort integriert, weiterentwickelt, modifiziert? Erfahrungen und Bedeutung der Remigrantinnen im Rahmen der Reeducation und des Wiederaufbaus der sozialen Arbeit in Deutschland nach 1945 Was hat sie nach der Verfolgung durch das NS-Regime dazu bewogen, sich in/für Deutschland zu engagieren? Wie haben sie die Arbeit im Nachkriegsdeutschland / in beiden deutschen Staaten erlebt und beurteilt? Welche heutigen Konzepte sind, historisch gesehen, durch die Remigration beeinflusst worden? Die Tagungsbeitraege koennen sich auf den Feldern der Sozialarbeit/(Sozial-)Paedagogik, der Sozialpsychologie, der (Professions-)Soziologie, der Politologie und Literaturwissenschaft, z.B. der exilliterarischen Darstellung von sozialer Hilfe, entweder exemplarisch einzelnen Lebensgeschichten widmen oder Aspekte der Fragestellung anhand von Erfahrungsberichten, Interviews etc. untersuchen. Vortragsangebote mit einem kurzen Exposé bitte bis zum 1.10.2007 an: Prof. Dr. Inge Hansen-Schaberg Birkenweg 15 D-27356 Rotenburg e-mail: [log in to unmask] ___________________________________________________________ Der frühe Vogel fängt den Wurm. Hier gelangen Sie zum neuen Yahoo! Mail: http://mail.yahoo.de