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Source:
http://www.ids-mannheim.de/aktuell/pr010615.html
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Institut für Deutsche Sprache, Mannheim
Pressemitteilung, Juni 2001

Surfen mit Brett oder Maus

In welchem Zusammenhang werden Wörter heute verwendet? -
Elektronische Sammlung geschriebener Sprache - Jetzt eine
Milliarde Textwörter im Recherchesystem am Institut für Deutsche
Sprache

BONN/MANNHEIM. Wer heute seine Freundin zum Surfen einlädt,
muss sich schon genauer ausdrücken, damit sie weiß, ob sie dazu
ein Brett oder eine Maus brauchen wird. Noch vor kurzer Zeit wäre
der Sinn dieser Frage ganz eindeutig gewesen - heute muss man
ihren Zusammenhang kennen.

Die Debatte um den angeblich völlig neuen Begriff Leitkultur hat
kürzlich die Wellen der öffentlichen Meinung hoch schlagen lassen.
"Dabei hätte ein Politiker nur die elektronische Textsammlung des
Instituts für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim befragen
müssen, um zu wissen und argumentieren zu können, dass es die
Auseinandersetzung um diesen Begriff vor drei Jahren in
Deutschland schon einmal gegeben hat", sagt IDS-Mitarbeiterin
Annette Trabold.

Auf eine Milliarde Textwörter sind die Sammlungen am IDS, einem
Leibniz-Institut, jetzt angewachsen - umgerechnet 2,7 Millionen
Buchseiten. Seit 30 Jahren wird dieses im deutschen Sprachraum
einmalige "Korpus" von Texten vor allem aus der deutschen
Gegenwartssprache aufgebaut. Jeder, der sich der heutigen
Bedeutung eines Wortes oder einer Metapher und seiner
Verwendung vergewissern will, kann dort gesichert Auskunft
erhalten und eine Stunde kostenlos online suchen. Der Zugang
erfolgt über die IDS-Homepage (http://www.ids-mannheim.de). Ist
"auf der Welle des Erfolges schwimmen" eine abgegriffene Phrase?
Wann packt wer etwas für wen "in trockene Tücher"? Wer wird
wann als "harter Hund" bezeichnet? Auch auf solche kniffligen
Fragen gibt das IDS-"Korpus" Antwort.

Die sonst so nirgendwo vorhandene, über ein spezielles
Recherchesystem zugängliche Textsammlung für geschriebene
deutsche Sprache ist für die nationale und internationale
Sprachforschung ein unverzichtbares Hilfsmittel . "Sie wird aber
auch in wachsendem Maße für interdisziplinäre Untersuchungen in
der Psychologie, Neurologie, Sprachtherapie, Kommunikations-
und Medienwissenschaft genutzt", sagt Trabold. Die Textkorpora
umfassen Texte von Goethe über Grimm bis Grass, neben
Belletristik finden sich populärwissenschaftliche und
wissenschaftliche Texte sowie Zeitungen, Lehr- und Handbücher,
aber auch Memoiren, Trivialliteratur, Prospekte und Erlasse. Sie
geben einen Überblick, wie das einzelne Wort im deutschen
Sprachraum genutzt wird. "Das Wichtige daran: Die Bedeutung ist
nicht abstrakt, sondern erschließt sich immer aus dem
tatsächlichen Sprachgebrauch", sagt Trabold. Schließlich bildet die
Textsammlung die Grundlage für viele IDS-Projekte, darunter ein
neues, das "Wissen über Wörter" heißt und einmal ein großes
digitales Nachschlagewerk darstellen soll - Grammatik,
Rechtschreibungs-, Bedeutungs- und Fremdwörterbuch in einem.
Es soll spätestens in zwei Jahren "online gehen". "Nicht mehr
nachschlagen, klicken heißt dann die Devise, hin und her zwischen
vielen Synonymen oder den Mitgliedern einer Wortfamilie", erläutert
Ulrike Haß-Zumkehr, Leiterin der Abteilung Lexik am IDS. "Wissen
über Wörter sagt nicht, wie man sprechen soll, sondern wie
Sprache faktisch ist."

Weitere Informationen:
Dr. Annette Trabold
Institut für Deutsche Sprache
R5, 6-13
68161 Mannheim
Tel. 0621 / 15 81 - 0
Fax 0621 / 1581-200
Email: [log in to unmask]
Internet: http://www.ids-mannheim.de