Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 30. Todestag von Anna Seghers kommt am 1. Juni ein Konzert des Schweizer Komponisten Marc Kilchenmann im Berliner Kunstquartier Bethanien zur Auffuehrung. Marc Kilchenmann, der anwesend sein wird, beruft sich in seinen Kompositionen auf Seghers' Exilroman "Das siebte Kreuz".
Das Berliner Konzert bildet den Abschluss einer derzeitigen Serie von Auffuehrungen in der Schweiz und in Deutschland, u.a. auch in der KZ-Gedenkstaette Osthofen.
Fuer genauere Informationen zum Programm und zur Projektbeschreibung des Komponisten: siehe unten.
Franziska Meyer (stellv. Vorsitzende der Anna-Seghers-Gesellschaft)
http://www.anna-seghers.de/
JEDER NEUE SCHRITT IST IMMER NUR DER VORLETZTE
Ein komponiertes Progamm von Marc Kilchenmann zu Anna Seghers` "Das siebte Kreuz"
Marc Kilchenmann: La perte de la patience Nr. 7:
Il dépasse même la limite qu’il fixait à son adversaire, demandant maintenant à être traité en égal.
Trio für Violine, Viola und Violoncello
Johann Sebastian Bach: «EXORDIUM»
Ricercar a 3*
Marc Kilchenmann: Jeder neue Schritt ist immer nur der vorletzte (UA)
Anna Seghers-Tetralogie Nr. 1 für Streichquartett
Johann Sebastian Bach: «NARRATIO»
Canon 1, 3, 5*
Ursula Elsner: Jetzt sind wir hier. Was jetzt geschieht, geschieht uns.
Vortrag und Lesung zum Siebten Kreuz
Marc Kilchenmann: Jetzt zwei Minuten zusammensein, in welcher Hölle immer (UA)
Anna Seghers-Tetralogie Nr. 2 für Traversflöte und Streichquartett
Johann Sebastian Bach: «ARGUMENTATIO»
Ricercar a 6*
Marc Kilchenmann: An ihm war nichts richtig, aber sein Blick war richtig (UA)
Anna Seghers-Tetralogie Nr. 3 für Traversflöte und Streichquartett
Johann Sebastian Bach: «QUAESTIONES»
Canon a 2*
Canon a 4*
Marc Kilchenmann: Unter der gleichen Gefahr, im gleichen kühlen Wind (UA)
Anna Seghers-Tetralogie Nr. 4 für Traversflöte und Streichquartett
Johann Sebastian Bach: «PERORATIO»
Sonata sopr` il Soggetto Reale a Traversa, Violino e Continuo*
(Largo - Allegro - Andante - Allegro)
* Sämtliche Stücke von Johann Sebastian Bach stammen aus dem "Musikalischen Opfer", BWV 1079
SATIE QUARTETT
Klaus Esser Violine
Jin Kim Violine
Ursina Staub Viola
Yuko Uenomoto Violoncello
DER MINERVAE BANQUET
Sarah Giger Traversflöte
Meret Lüthi Barockvioline
Bernadette Köbele Barockcello
Sebastian Wienand Cembalo
Ursula Elsner Vorsitzende der Anna-Seghers-Gesellschaft, Lesung
JEDER NEUE SCHRITT IST IMMER NUR DER VORLETZTE
Konzertdaten und -orte
Fr. 17.5. 2013, 19.30 Uhr Zürich, Kunstraum Walcheturm (Kanonengasse 20, 8004 Zürich)
Sa. 18.5. 2013, 19.30 Uhr Basel, Ackermannshof (St. Johanns-Vorstadt 19-21, 4001 Basel)
Mo. 20.5. 2013, 11.00 Uhr Bern, Kirche Nydegg (Nydegghof 2, 3011 Bern)
Do. 23.5. 2013, 18.00 Uhr Osthofen, Gedenkstätte KZ Osthofen (Ziegelhüttenweg 38, 67574 Osthofen)
Mo. 27.5. 2013, 18.30 Uhr Hagen, Osthaus Museum Hagen (Museumsplatz 1, 58095 Hagen)
Sa. 1.6. 2013, 19.00 Uhr Berlin, Kunstquartier Bethanien, Studio1 (Mariannenplatz 2, 10997 Berlin)
Das Programm stellt dem Musikalischen Opfer Johann Sebastian Bachs einen Zyklus über Anna Seghers` Das siebte Kreuz von Marc Kilchenmann gegenüber. Der kontrapunktischen Meisterschaft des späten Bach setzt Kilchenmann die Hörbarmachung der von Anna Seghers beschriebenen «sozialen Kontrapunkte» entgegen und knüpft so mannigfaltige Bezüge zu Bachs Musik.
Projektbeschreibung des Komponisten
Das siebte Kreuz beschäftigt mich seit geraumer Zeit. Die ersten Skizzen zu einer Vertonung entstanden schon vor gut 15 Jahren. In diesen Skizzen ging es mir um die Dramaturgie des Stoffes, seine «Filmtauglichkeit». Die nun entstandenen Kompositionen drehen sich aber nicht um das Thriller-Potential der Geschichte, sondern beleuchten die unglaubliche Genauigkeit, mit der Seghers die Gesellschaft im «Dritten Reich» beschreiben konnte - und dies mit einem ständigen Wechsel des Blickwinkels der verschiedenen ProtagonistInnen auf ein und dieselbe Geschichte.
Diese unterschiedlichen Strategien vom Überleben, Helfen, Eingreifen oder Wegschauen führten mich zum Begriff der «sozialen Kontrapunkte». Damit meine ich zum einen, wie kunstvoll Anna Seghers die verschiedenen Lebenswege der ProtagonistInnen zeitgleich ablaufen lässt, zum andern, wie sie die einzelnen Figuren zeichnet: Der überzeugte Kommunist Bachmann versagt im entscheidenden Moment und verrät Wallau; dazu bildet Paulchen Röder eine eigentliche Krebsumkehrung. Der naive Freund Georgs wird, auf die Probe gestellt, zum mutigen, überlegten Fluchthelfer.
Im Siebten Kreuz finden sich Täter und Opfer, Mutige und Ängstliche, Mitläufer und Widerständige. Wie im Fugenwerk Bachs gibt es Regeln verschiedenster Art. Das Regelwerk der Nazis, die Überlebensregeln des versprengten Widerstands, aber auch die einfachen Regeln der Nächstenliebe. Die vier Teile des Zyklus` fokussieren jeweils auf einen anderen Aspekt des Romans: Die siebenfache Flucht, die innere Zwiesprache mit dem Fluchtgefährten Wallau, das Hoffen Georgs auf die Frauen aus seinem früheren Leben und die Rolle der diversen Fluchthelfer.
Kombiniert habe ich meinen Seghers-Zyklus mit dem Musikalischen Opfer Johann Sebastian Bachs. Wie Ursula und Warren Kirkendale überzeugend darlegten, hat Bach die einzelnen Teile des Musikalischen Opfers nach Quintilians Institutio oratoria ausgerichtet. Der Aufbau entspricht also bis ins Detail demjenigen einer antiken juristischen Rede.
Eröffnet wird das Konzert mit Il dépasse même la limite qu’il fixait à son adversaire, demandant maintenant à être traité en égal, aus meinem Zyklus La perte de la patience nach Albert Camus` L`homme revolté. Dieses ältere Stück gibt das Motto für den Abend, beschreibt den Prozess des Neinsagens, des Aufbegehrens.
Ursula Elsner, profunde Kennerin des Werkes von Anna Seghers und Vorsitzende der Anna-Seghers-Gesellschaft wird zu jedem Konzert eine Einführung zum Roman Das siebte Kreuz geben.
Marc Kilchenmann
Marc Kilchenmann ist vielseitig ausgebildeter Musiker. Er studierte Fagott bei Ingo Becker und Prof. Eckart Hübner und Komposition bei Prof. Urs Peter Schneider. Ähnlich vielseitig wie seine Studien erweist sich auch sein heutiges Betätigungsfeld. Im Zeitalter des Spezialistentums hat er sich den Anspruch bewahrt, den Musikerberuf als Generalist ausüben zu wollen. Konkret ist er als Komponist, Verleger, Programmgestalter, Kammermusiker, Orchestermusiker und Fagottdozent tätig.
Als Verleger betreut er beim aart verlag die Gesamtausgaben der beiden radikalen Komponisten Hermann Meier und Urs Peter Schneider. Die beiden sind in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit Vorbilder für sein eigenes Komponieren. Im Moment arbeitet Kilchenmann an einem Zyklus von je acht Kompositionen und acht Konzeptstücken über acht vorsokratische Philosophen.
Marc Kilchenmann ist Dozent an der Hochschule der Künste Bern und unterrichtet an der Musikschule Thun. Er ist Vater von zwei Kindern und lebt in Bern.
Die Konzerte werden unterstützt durch:
Anna-Seghers-Gesellschaft, Pro Helvetia, Land Rheinland-Pfalz, kulturelles.bl, Stadt Zürich, Stadt Bern, Kanton Bern,
Fondation Nestlé pour l’Art, Ernst Göhner Stiftung, Burgergemeinde Bern, Migros Kulturprozent
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