Aptum 02/2008 Newsletter
Themenheft „Zur Sprache der Universitätsreform“
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Jürgen Schiewe: Zur Sprache der Universitätsreform. Einleitende Anmerkungen
Konrad Paul Liessmann: Die evaluierte Elite im Bologna-Prozess. Sprache und
Geist der Universitätsreform
Richard Münch: Die Rhetorik der Funktionalität im Umbau der akademischen Welt
Clemens Knobloch: Das Neuakademische. Anmerkung zur Sprache der
unternehmerischen Hochschule
Ulrich Welbers: Die semantische Konstruktion 'Bologna-Prozess' im
bundesrepublikanischen Bildungsdiskurs
Abstracts:
Jürgen Schiewe: Zur Sprache der Universitätsreform. Einleitende Anmerkungen
Der als Einleitung zu dem Themenheft „Sprache der Universitätsreform“
konzipierte Aufsatz beleuchtet einige Bereiche und Themenfelder, in denen
die gegenwärtig stattfindende Umgestaltung der Universitäten am stärksten
sichtbar wird: die „neuen Studiengänge“, die „exzellente Forschung“ und die
universitäre „Autonomie“. Ausgangspunkt ist die These, dass die reale
Umgestaltung zunächst auf sprachlicher Ebene in Form eines gedanklichen
Entwurfes imperativisch vorbereitet wurde. Aufgabe der Sprachkritik ist es,
den entsprechenden Diskurs, der mit dem Stichwort „Universitätsreform“
etikettiert wird, zu rekonstruieren und seine wirklichkeitskonstituierende
Wirkung aufzuzeigen. Einen Beitrag zu dieser kritischen Rekonstruktion
leisten die in dem vorlegenden Aptum-Heft versammelten Aufsätze, die am Ende
dieser Einleitung kurz vorgestellt werden.
Konrad Paul Liessmann: Die evaluierte Elite im Bologna-Prozess. Sprache und
Geist der Universitätsreform
In diesem Beitrag wird die These vertreten, daß die von vielen beklagte
Ökonomisierung der Universitäten unter anderem deshalb kaum auf Widerstand
stößt, weil sich diese Reform einer Sprache bedient, die dem Prinzip einer
"performative Selbstimmunisierung" gehorcht: Die Begriffe und Phrasen, die
den Reformprozess begleiten, entziehen sich allein durch ihre Verwendung
jedem möglichen Einspruch. Am Beispiel der Kürzel "Evaluation", "Bologna"
und "Elite" wird diese Strategie analysiert.
Richard Münch: Die Rhetorik der Funktionalität im Umbau der akademischen Welt
Reformen werden in aller Regel durch Funktionsdefizite gesellschaftlicher
Institutionen und mit Argumenten der besseren Funktionserfüllung und
Leistungssteigerung begründet. Das ist auch am gegenwärtigen Umbau der
akademischen Welt zu beobachten. Keine Reform ist jedoch gegen
nicht-intendierte Effekte gefeit, so dass die Reformbilanz oft anders
aussieht, als ursprünglich erwartet wurde. Und gegen die Argumente des
funktional notwendigen Umbaus lassen sich viele Gegenargumente vortragen.
Die Durchsetzung von Reformen ist deshalb maßgeblich eine letztlich neue
Realitäten erzeugende rhetorische Leistung. Das soll in diesem Beitrag an
drei Topoi der Funktionalitätsrhetorik demonstriert werden: der horizontalen
und vertikalen Differenzierung der Hochschulen, der Umwandlung von
Universitäten in Unternehmen und der Symbiose von Wissenschaft und
Wirtschaft in universitär-industriellen Forschungszentren.
Clemens Knobloch: Das Neuakademische. Anmerkung zur Sprache der
unternehmerischen Hochschule
Die Leitbegriffe und Deutungsmuster der unternehmerischen Universität sind
betriebswirtschaftlich. Die Realität der weiterhin öffentlich
mitfinanzierten Hochschulen ist es nur teilweise. Es ist die Implementierung
eines umfassenden ökonomischen Steuerungs- und Erziehungsprogrammes für den
Wissenschaftsbereich, was die „neuakademische“ Sprache auszeichnet. Als
erprobte Konsensfiktionen entziehen sich die Leitbegriffe der neuen
Hochschule jeder öffentlichen Skepsis. Dem globalen Wettbewerb kann sich
keine Hochschule entziehen. Zielvereinbarungen sind demokratisch legitim.
Was soll an Profilbildung schlecht sein? Ein Ranking gibt objektive
Orientierung. Und so weiter. Die Sprache der „unternehmerischen Hochschule“
ist reich an Symptomen für eine grundlegende Verschiebung im hegemonialen
Mechanismus der öffentlichen Meinungsbildung. Dieser Verschiebung geht der
Beitrag nach.
Ulrich Welbers: Die semantische Konstruktion 'Bologna-Prozess' im
bundesrepublikanischen Bildungsdiskurs
Der in der bildungspolitischen Öffentlichkeit zurzeit vielfach besprochene
,Bologna-Prozess' kann auch zum Gegenstand einer diskurssemantischen Analyse
dahingehend gemacht werden, wie innerhalb eines solchen Diskurses um den
Begriff der ,Bildung' gestritten wird. ,Bildung' ist traditionell ein
Konkurrenztopos, in dem sich sehr heterogene weltanschauliche, politische
und institutionenbezogene Sichtweisen spiegeln. Der Terminus
,Bologna-Prozess' hat diesen semantischen Kampf erneut aufgerufen. Die
Hauptakteure dieses konfliktreichen Streits sind im Wesentlichen die
Bildungspolitik und ihre Vertreter einerseits und die Hochschulen und die
Berufsgruppe der Hochschullehrer andererseits. Beide Seiten gebrauchen den
Diskurs dafür, ihre differentiellen Vorstellungen von Wissenschaft, Lehre
und Forschung durchzusetzen. So wurde ,Bologna-Prozess' vom Spezialthema
schließlich zu einem erweiterten Diskursrahmen für zunehmend unspezifische
Interessehaltungen, in dem Hochwertvokabeln wie ,Bildung' und
,Wissensgesellschaft' ein von den Sachproblemen der Bildungsinstitutionen
weitgehend unberührtes, diskursives Eigenleben entwickelt haben. Das
wiederum hat dazu geführt, dass solche Vokabeln heute weitgehend als
verbraucht erscheinen, so dass sich die Frage stellt, wie und ob in Zukunft
überhaupt noch adäquat über ,Bildung' gesprochen werden kann.
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