Das Institut für Musikwissenschaft der Karlsuniversität Prag
veranstaltet am 26. 10. 2005 ein Seminar
"Alt und neu" im Repertoire des Offiziums
Mit Vorträgen von:
Prof. Kees Pouderoijen OSB (Universität für Musik und darstellende Kunst
Wien)
Prof. David Hiley (Institut für Musikwissenschaft, Universität Regensburg)
Einleitung: David Eben
Die musikalische Analyse nimmt in der musikwissenschaftlichen Forschung
sicherlich eine Schlüsselposition ein. Diese Tatsache gilt
selbstverständlich auch für den einstimmigen liturgischen Gesang, den
gregorianischen Choral. Es ist jedoch interessant, daß wir gerade im Falle
der einstimmigen Musik des Mittelalters sehr verschiedenen
Analyseprinzipien begegnen können: neben konventionelleren Arbeitsweisen
werden Methoden der Ethnomusikologie (z. B. László Dobszay), der
mathematischen Statistik (z. B. Roman Hankeln) usw. angewendet. Diese
Vielfalt widerspiegelt in seinem Ganzem auch ein gewisses "tastendes"
Suchen nach einer adäquaten Methodologie, die einerseits die Forderung nach
einer wissenschaftlichen Systematik erfüllen, andererseits aber auch den
spezifischen (wechselhaften) Charakter der betreffenden musikalischen
Gattung in Betracht zieht, vor allem im Zusammenhang mit der mündlichen
Tradition.
Diese allgemeinen Fragen nehmen sehr konkret Gestalt an, wenn man sich z.
B. um eine genauere Festlegung chronologischer Schichten in der Entwicklung
des liturgischen Repertoires bemüht. Besonders deutlich bezieht sich dies
auf die Gesänge des Offiziums, welche - anders als beim Messproprium - fast
kontinuierlich von den ersten Jahren der christlichen Liturgie bis hinein
ins Spätmittelalter komponiert wurden. Das Problem einer genaueren
Bestimmung der musikalischen Entwicklung im Offizium formulierte Andrew
Hughes: "We know little of the changes that took place in the twelfth and
thirteenth centuries. Part of the difficulty is our lack of detailed
knowledge of the earlier corpus: comparisons are hard and we cannot
precisely describe the differences."1
Das Arbeitstreffen "Alt und neu" im Repertoire des Offiziums möchte diese
Problematik reflektieren und an konkreten Beispielen Wege zeigen, auf denen
sich die musikalische Analyse in Zukunft bewegen könnte. Raum für
Erwägungen schaffen Vorträge zweier bedeutender Wissenschaftler, von denen
sich der erste mit dem älteren Repertoire, der zweite dann mit dem relativ
späteren Repertoire befassen wird. Die Fragen, welche das Thema der
Vorträge und der anschließenden Diskussionen bilden, lassen sich in einigen
Punkten zusammenfassen:
* Inwieweit kann man stilistische Merkmale in der Musik des Offiziums mit
einer bestimmten historischen Etappe identifizieren?
* Kann man unterschiedliche Kompositionsverfahren in "alt" und "neu"
genauer definieren? Wo liegt die Grenze zwischen dem alten Kernrepertoire
der Karolingerzeit und späteren Kompositionen?
* Ist es möglich, im Rahmen allgemeiner Stilprinzipien eine
gewisse "Individualität des Verfassers" zu bestimmen?
* Ist es möglich, in Verbindung mit verschiedenen Repertoireschichten bei
der Analyse verschiedene Methodologien anzuwenden?
Zum Abschluss des Arbeitstreffens werden zwei Beispiele aus der Arbeit des
Seminars des Prager Instituts für Musikwissenschaft vorgetragen und
diskutiert.
Programm
9:00-9:30 Begrüßung und Einführung (Jarmila Gabrielová, David Eben)
9:30-11:00 Das ältere Repertoire: Kees Pouderoijen OSB (Vortrag mit
anschließender Diskussion)
11:00-11:30 Pause
11:30-13:00 Das spätere Repertoire: David Hiley (Vortrag mit anschließender
Diskussion)
Mittagspause
15:00-17:00 David Eben - Einleitung
Petr Kadlec: Analyse der Antiphonen mit Verstexten im III. Modus
Renata Pušová: Das Offizium des Hlg. Adalbert in den Prager Quellen
Diskussion: Analyse der einstimmigen Gesänge
Adresse: Institut für Musikwissenschaft, Philosophische Fakultät, Nam. Jana
Palacha 2, Praha 1, Tschechische Republik (Raum No. 405)
1 Music as Concept and Practice in the Late Middle Ages, ed. Reinhard
Strohm and Bonnie J. Blackburn, New Oxford History of Music III.1, Oxford
2001, s. 37.
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