Source:
http://www.tu-chemnitz.de/phil/avl/AVLinC/Projekte/Adorno.htm
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Am 7. und 8. November 2003 veranstaltet die Professur für Allgemeine
und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Technischen Universität
Chemnitz aus Anlaß des 100. Geburtstages von Theodor W. Adorno ein
interdisziplinäres Symposion mit dem Titel:
Theorie – Kunst – Wissenschaft
Zur Aktualität Theodor W. Adornos
Zum vorläufigen Programm der Adorno-Konferenz
http://www.tu-chemnitz.de/phil/avl/AVLinC/Projekte/Adorno2.htm
Exposé
Gelebte Interdisziplinarität: Das Werk Theodor W. Adornos
Theodor W. Adorno (1903–1969) hat wie wenige Denker des 20.
Jahrhunderts mit seinem Werk den Brückenschlag zwischen den Disziplinen
praktiziert. Er arbeitete als Philosoph und Sozialforscher, als
Musikwissenschaftler und als Literaturkritiker, und er war in den
intellektuellen Debatten der 50er und 60er Jahre maßgebend. Die
Stichworte der Tagung Theorie – Kunst – Wissenschaft umreißen die Pole,
zwischen denen sich Adornos Werk bewegt und aus deren Spannung es sein
geistiges Leben gewinnt. Der so streitbare wie umstrittene Versuch, in
einer Phase der Moderne, die einen integralen Zugriff auf die
Wirklichkeit immer mehr erschwert, das »Ganze« perspektivisch in den
Blick zu nehmen, ließ seine systematisch angelegte Arbeit zum offenen
›work in progress‹ werden. Wenn auch dieser Ansatz in den
Einzelwissenschaften vielleicht nicht immer günstig aufgenommen wurde,
gibt es nur wenige Disziplinen, zumal in den Geisteswissenschaften, in
denen Adorno keine Wirkung entfaltet hätte – durch die Maßstäbe
setzende Differenziertheit seines Denkens wie durch die Rigidität
seiner Kritik.
Die Notwendigkeit, auf der Basis disziplinierter Forschung eine
substantielle Praxis von Interdisziplinarität zu entfalten, stellt sich
heute mindestens in demselben Maße wie zu Adornos Zeit, aber mit der
»Unübersichtlichkeit« des gesellschaftlichen und kulturellen Feldes hat
die Schwierigkeit zugenommen, hier zu verbindlichen Aussagen zu
gelangen. Die Geistes- und Sozialwissenschaften sind diesem Problem oft
ausgewichen. Es läßt sich in ihnen eine Tendenz zur Polarisierung
erkennen: Einzelstudien von positivistischer Gründlichkeit, die aber
eng fokussierten Fragestellungen nachgehen, stehen theoretische
Konstruktionen gegenüber, deren empirischer Gehalt gering ist. Ein
sinnvoller Begriff von Interdisziplinarität muß über Additionen
einzelner Wissenschaften hinausgehen. Er muß darauf abzielen, den
Zusammenhang von Wissenschaft und Erfahrung theoretisch und praktisch
zu fundieren. Auf dieser Schwelle ist Adornos Arbeit angesiedelt. Sie
ist gekennzeichnet durch das Vermögen, die Versenkung ins Detail mit
theoretischem Durchblick zu vereinen. Die Auseinandersetzung mit seinem
Werk eröffnet daher die Chance einer wissenschaftstheoretischen
Reflexion und eines wissenschaftspraktischen Vollzugs, die in einer
Zeit, in der die Geisteswissenschaften unter Legitimationsdruck geraten
sind, nicht versäumt werden sollte.
Adorno und die Komparatistik
Seit ihren Anfängen hat sich die komparatistische Literaturwissenschaft
als eine Disziplin verstanden, die unter der Maxime der
Interdisziplinärität steht. »Allgemein« und »Vergleichend« will diese
Literaturwissenschaft sein, indem sie ihren eigenen Horizont zu dem
ihres Gegenstandes hin überschreitet. Auf das Verhältnis der Literatur
zu den anderen Künsten kann sich diese Vorgehensweise ebenso beziehen
wie auf Zusammenhänge der Ästhetik, Psychoanalyse, Sprachphilosophie,
Politologie, der Musiksoziologie oder der Religionswissenschaft –
Felder, in denen sich Adornos Schriften bewegen. Es liegt also in der
Natur der Sache, wenn Adornos Werk in unterschiedlichsten Disziplinen,
besonders aber in der Allgemeinen und Vergleichenden
Literaturwissenschaft immer eine bedeutende Rolle gespielt hat.
Maßstabsetzend blieb seine Arbeitsweise allerdings in der Weise, dass
ein Mehr an einzelwissenschaftlicher Ausarbeitung nicht mit einer
Einengung der erfahrungsnahen und disziplinübergreifenden Perspektiven
erkauft sein sollte. Mittlerweile, nachdem die Schuldebatten der
achtziger und frühen neunziger Jahre selbst historisch geworden sind,
kann man Adorno mit gutem Recht als einen genuinen Autor der
Komparatistik bezeichnen.
Zum Programm der Tagung
Ein komparatistisches Symposion, das sich mit dem Werk Adornos
auseinandersetzt, entspricht als Ort disziplinärer
Horizontüberschreitung dem Anspruch dieses Werkes ebenso wie dem
Selbstverständnis unseres Faches und dem aktuellen Erfordernis, einen
konsistenten Interdisziplinaritätsbegriff zu erarbeiten. Dem gemäß
besitzt die Tagung einen gewissen Schwerpunkt in Adornos Schriften zur
Literatur – den Noten zur Literatur (selbst schon disziplinübergreifend
betitelt). Konkretisiert und überschritten wird dieser Schwerpunkt aber
im Dialog mit philosophischen Disziplinen, mit Musikwissenschaft und
Politologie. Das betrifft vor allem auch die Frage danach, welche
Bedeutung dem Werk Adornos in der Wissenschaftsgeschichte und im
aktuellen Diskussionsstand heute zugesprochen wird. Das angefügte
Programm spiegelt den aktuellen Stand der Planung wider. Es ist
vorgesehen, die Beiträge des Symposions gesammelt zu publizieren. Ein
angesehener Verlag hat sein Interesse an der Veröffentlichung bereits
zum Ausdruck gebracht.
Wir erlauben uns abschließend, darauf hinzuweisen, dass im Adorno-Jahr
2003 unser Symposion die einzige größere akademische Veranstaltung sein
wird, die in den neuen Bundesländern stattfindet. Sie böte der
Technischen Universität Chemnitz, insbesondere ihrer Philosophischen
Fakultät, gute Gelegenheit zu einer Außendarstellung, die mit
Sicherheit überregional wahrgenommen wird.
Ihr Ansprechtpartner für die Tagung ist: Dr. Wolfram Ette
([log in to unmask]), Tel.: 0371 4500666
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